Dirk von Lowtzow – Aus dem Dachsbau (Buch)
Dirk von Lowtow wirkt auf mich, als hätte er schon immer Bücher geschrieben. Tatsächlich war ich etwas überrascht als ich herausfand, dass er kürzlich sein literarisches Erstlingswerk herausgebracht hat. Vielleicht bin ich einfach nur der Klischeevorstellung von einem Schriftsteller aufgesessen, aber der Tocotronic-Sänger strahlt in seiner Musik und vor allem in Interviews so eine Literaten-Attitüde aus. Besonders das spätere Werk seiner Band verfestigt bei mir den Eindruck.
Falsch klischiert. „Aus dem Dachsbau“ ist das Debüt des Endvierzigers und es ist zunächst einmal eine Autobiografie. Und jetzt noch das große „Aber“: Es wird nicht etwa von Geburt an ein Leben runtererzählt, was dann irgendwann nach ca. 300 Seiten im hier endet. Nein, „Aus dem Dachsbau“ ist zwar auch einer Chronologie unterworfen, aber dem Alphabet. Es beginnt bei ABBA und endet mit Zeit. Und es ist teilfiktional.
Einige Geschichten kennt man aus Interviews oder vom letzten stark autobiografisch geprägten Tocotronic-Album „Die Unendlichkeit“ von 2018: Der Tod seines Jugendfreundes Alexander (ziemlich zu Beginn weil A), die ersten Punk-Gehversuche in Offenburg, seine Liebe zu Coca Cola, der Umzug nach Hamburg in den Neunzigern und der nach Berlin in den Nullerjahren oder seine Liebe zur Band Gun Club. Oft besteht „Aus dem Dachsbau“ aber auch „nur“ aus kleinen alltäglichen Geschichten, bestehend aus Spaziergängen durch Berlin oder Momente nach oder während Touren oder einfach aus schweifenden Gedanken während Raucherpausen.
Neben den autobiografisch gefärbten kurzen Geschichten gibt es kleine Zeichnungen (das mit dem Dachs leuchtet ein, aber wo ist die Geschichte zu dieser süßen Hüsker Dü-Zeichnung auf Seite 77?), kurze Gedichte oder Fotos, die in den Geschichten kurz beschrieben werden.
„Aus dem Dachsbau“ ist ein neues Tocotronic-Album ohne Musik. Die Transformation in Buchform gelingt hier wunderbar. Wer sich in der Welt der Hamburger Indie-Band jedoch nicht so zurechtfinden, für die oder den ist „Aus dem Dachsbau“ vielleicht auch nichts. Insgesamt liest sich das kleine Büchlein manchmal, als würde man sich mit Dirk von Lowtzow auf einen Kaffee am Nachmittag im Prenzlauer Berg treffen und dann wieder, als würde man sich mit ihm nach dem achten Bier in der Schlange zur Clubtoilette unterhalten. Die Wechsel sind fließend, aber weder das noch die fehlende Chronologie stört das irgendwie. Die 180 groß gedruckten Seiten lassen sich schön und schnell weg lesen, obwohl es keine seichte Literatur ist. Aber apropos kleines Buch: 20 Euro Ladenpreis ist doch wirklich ein bisschen happig.
Philipp Meinert
Dirk von Lowtzow: Aus dem Dachsbau
Kiepenheuer&Witsch
Köln 2019
180 Seiten
20 Euro