TRAININGSEINHEIT KATZENKOTZE Interview

Hallo ihr Lieben, schön, dass ihr Zeit habt! Ihr seid TRAININGSEINHEIT KATZENKOTZE – steiler Name – hat der ne Geschichte? Seit wann gibt es euch und wie seid ihr zusammen gekommen? Habt ihr vorher schon woanders Musik gemacht?

friz: Haha, ja der Name. Da kursieren mittlerweile ganz unterschiedliche Geschichten drüber. Ein Teil der Band hat vorher unter dem Namen „Notfalloption“ Musik gemacht. Dann kamen 2014 Schranke und ich dazu und die Kombo hat sich neu gegründet. Wir sind alle große Katzenfans und „Trainingseinheit kotzende Katze“ ist so ne Yogaübung für Schwangere. Keine Ahnung, wie wir da damals draufgekommen sind. Wir fanden das witzig und haben das dann übernommen. Auch weil da ein bisschen die Tendenzen der Selbstzerstörung und Verunreinigung mitschwingen, die so schön konträr zur Idee von Selbstoptimierung stehen.

Rotz: Wir kannten uns teilweise schon lange vorher, waren befreundet, haben zusammengewohnt und manche von uns kennen sich schon seit ihrer Geburt. Einige von uns haben klassisch musikalische Früherziehung bekommen, so mit Geige und Gitarre. Andere haben zum ersten Mal ein Instrument oder Mikrofon in die Hand genommen, als wir mit Trainingseinheit Katzenkotze begonnen haben. Punk ist ja in dem Sinne die demokratischste Musik, als dass sie jede*r machen kann, ohne viel können zu müssen. Die ersten Jahre hat das viel Überwindung und Aneignung bedeutet, in Räumen, in denen wir uns manchmal ziemlich fremd und unwohl gefühlt haben. Zum Glück haben wir oft ein tolles, feministisches Publikum oder andere Bands angetroffen, die uns gesagt haben: „Go on!“ (Credits an: Es war Mord, Knochenfabrik und Troops of the sun). Auch das ein oder andere Bierchen hat der Punk-Attitüde sicherlich nicht geschadet …

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Wie würdet ihr eure musikalische Sozialisation beschreiben?

friz: Die musikalische Sozialisation ist bei uns ziemlich unterschiedlich und reicht von Depeche Mode zu den Toten Hosen über Tocotronic bis hin zur Kelly Family; da können wir uns immer noch wunderbar drüber streiten. Was wir gemeinsam haben, ist, dass wir alle in unserer Jugend exzessiv Punk gehört haben. Damals gab’s ja noch kein Internet und man musste sich die Musik mühsam beschaffen. Ich weiß noch, wie glücklich ich war, als mir ein Kumpel damals die „Schlachtrufe BRD 2“ auf Kassette aufgenommen hat, also die zensierte Version. Da muss ich so 14 Jahre alt gewesen sein. Die Lieder haben viele Botschaften transportiert, über die ich mich politisiert habe. Ich bin in so einem kleinen katholischen Dorf am Niederrhein aufgewachsen. Da gibt’s so Bräuche, dass an jedem 1. Mai alle Frauen ab 15 von den besoffenen Typen des Junggesellenvereins versteigert werden. Kein Scherz. Die utopische, widerspenstige, aber auch die „fuck off“-Haltung im Punk hat mir damals Hoffnung gegeben; Hoffnung auf andere Formen des Miteinanders in der Zukunft, so smalltown-boy mäßig. Natürlich gab’s da auch viele Leerstellen, gerade was Sexismus und Heteronormativität angeht. Aber das ist mir erst später aufgefallen.

Rotz: Ja, ich bin ja auf so ’ner kleinen Insel aufgewachsen. Da war nicht so viel mit Subkultur oder so. Da gab’s ja auch noch nicht so richtig Internet, um andere Bands oder Musikzeitschriften zu finden. Ich bin da als Teenie erstmal durch so Mainstream-Typen-Deutschpunk sozialisiert worden. So mit Toten Hosen, Wizo, …But Alive. Das war für mich auch doll verbunden mit einer ersten politischen Sozialisation. Als ich dann mit 17 nach Hamburg gezogen bin, hat sich das ein bisschen geändert und ich hab‘ auch Punkbands gehört, in denen auch FLINTA*s gespielt haben. Ich glaub, eine der ersten war da Bambix. Aber ich muss auch sagen, dass ich lange nicht offen war für FLINTA*s in Punkbands. Aus heutiger Sicht war ich da schon ganz schön frauen*feindlich unterwegs. Das hatte auch mit meiner eigenen Auseinandersetzung um mein Gender zu tun, aber ich wollte mit Allem, was weiblich ist, erstmal nicht so viel zu tun haben. Aber da gibt‘s natürlich auch eine gesamtgesellschaftliche Grundlage für. Ich würde aber auf jeden Fall sagen, dass Riot Grrrl-Bands wie Sleater Kinney oder Bikini Kill mich dann dazu gebracht haben, die Band mitzugründen und überhaupt die Möglichkeit aufgemacht haben, nicht nur vor der Bühne stehen zu können, sondern auch auf der Bühne.

Habt ihr Vorbilder, an denen ihr euch orientiert oder die euch inspiriert haben?

friz: Ich finde EA80 total super, mit denen kann man auch gut älter werden. Auch NOFX mag ich immer noch gerne. Aber viele der Bands, die ich als Jugendliche*r gehört habe, finde ich mittlerweile richtig blöd. Die haben mit sexistischen und homophoben Botschaften Geld und Ruhm erlangt und bis heute scheinbar nichts dazugelernt. Mich ärgert zum Beispiel, wenn wir mit Bands spielen, die uns vor dem Konzert nicht mal richtig „Hallo“ sagen, dann auf der Bühne vor dem Publikum so tun, als wären sie down mit den FLINTA*. Ich finde, die sollten sich ruhig mal öffentlich für ihre missachtenden und herabwürdigenden Texten aus den 80/90ern entschuldigen, anstatt auf arrogante Rockstars zu machen! Wir haben da ein Lied drüber geschrieben, das heißt „Wieso?“.

Ansonsten waren Bands aus dem Umfeld der Riot Grrrl Bewegung sehr wichtig für mich, wie Hole, Team Dresch, Sleater Kinney, Bikini Kill oder Le Tigre. Die haben mir gezeigt, wie Frauen* und Queers sich den Raum nehmen können, um sich und andere Menschen zu empowern, die wenig sichtbar sind. Ohne diese Bands hätte ich mich niemals auf eine Bühne getraut …

Rotz: Haha, ich würde sagen einer unserer Hits, „Pommes rot-weiß“, ist schon von den Toten Hosen inspiriert. Ansonsten schließ‘ ich mich friz an. Viele von den Bands, die ich früher mochte, hör ich eher noch aus nostalgischen Gründen. Mittlerweile finde ich meistens Bands aus meinem Umfeld inspirierender als so die ganz Berühmten. Bands, mit denen wir zusammen Konzerte spielen und mit denen es einen Austausch über Musik gibt.

Um was geht es in euren Songs? Wer schreibt die Texte?

friz: Am Anfang haben wir uns viel an den klassischen Themen des Punk orientiert und so ne Art wertkonservativen Pommespunk gemacht. Themen waren oft: Hass auf staatliche Autoritäten, Faschos oder Herrschafts- und Gewaltverhältnisse im Allgemeinen. Auch ging es öfter mal um das ein oder andere Saufgelage oder die inspirierenden Aspekte von Selbstzerstörung. Mittlerweile handeln einige Lieder aber auch von Verzweiflung, sich alleine fühlen und nicht weiter wissen. Eine wichtige Rolle spielen natürlich feministische Inhalte, Kritik an Mackern, Mansplaining, Heterosexismus, aber auch, sich Praktiken und Räume anzueignen, sich zu wehren, sich zu unterstützen etc.

rotz: Wer die Lieder schreibt, ist ganz unterschiedlich. Manchmal kommt eine*r von uns mit einem Entwurf als Grundlage und wir schreiben dann da gemeinsam rum. Manchmal entstehen auch Textfragmente im Proberaum, an denen dann eine Person weiterarbeitet. In letzter Zeit haben wir aber öfter auch zusammen an den Texten geschrieben. Außerdem covern wir auch gerne, gerade machen wir zum Beispiel was mit einem Text von Thomas Brasch.

Was denkt ihr sind die Gründe dafür, dass auf den Bühnen immer noch mehr Männer als FLINTA* zu sehen sind?

Rotz: Ja, leider ist das immer noch so. Und wir kennen das auch aus eigener Erfahrung: wir haben ja uns erst mit Anfang 30 getraut, selbst Musik zu machen. Und das obwohl wir immer sehr begeistert Punk gehört haben und heimlich gerne in einer Band gespielt hätten. Ein Grund ist sicherlich, dass es immer noch an coolen FLINTA* Vorbildern fehlt. Eine Band zu gründen, ein Instrument zu lernen, zu singen oder Musik aufzulegen, ist gar nicht so einfach, wenn die Bilder, die eine*r davon im Kopf hat, mehrheitlich von Cis-Typen dominiert werden.

friz: Das hat ja nicht nur mit Geschlecht, sondern auch mit weiteren Verhältnissen wie sozialer Herkunft zu tun, also wer sich wie selbstverständlich was aneignen kann. Als wir angefangen haben, Musik zu hören, war es oft so, dass Frauen* nur der Platz als „Freundin von“ vorbehalten war. Während Cis-Typen wie selbstverständlich in Bands gespielt haben und nicht auf die Idee gekommen sind, ihre Freund*innen zu empowern oder dass das irgendwie schräg sein könnte! Um mutig und tough und auf der Bühne sichtbar werden zu können, braucht es feministische und solidarische Netzwerke, die fehlerfreundlich sind und subkulturelles Wissen weitergeben. Deswegen haben wir uns sehr geehrt gefühlt, als eine Band von mehrheitlich FLINTA*-Personen letztens meinte, dass wir sie dazu inspiriert hätten, Musik zu machen.

Habt ihr als Musiker*innen schonmal negative Erfahrungen mit Sexismus oder Benachteiligung gemacht oder hat euch mal jemand versucht zu erklären, wie ihr eure Instrumente spielen sollt?

friz: Leider ja und leider immer wieder. Ich bekomme manchmal blöde Sprüche von Soundmenschen, die meine Stimme nicht abmischen können, weil sie an die tiefen Stimmlagen von Cis-Typen gewöhnt sind. Einmal meinte ein Soundmensch nach dem Konzert zu mir, dass er mir am liebsten an die Gurgel gegangen wäre, weil ich angeblich zu hoch gesungen hätte. Absurderweise war das auf einem Konzert mit einer anderen feministischen Band, in einem feministischen Raum. Für mich war die Erfahrung mit solidarischen und feministischen Soundtechniker*innen total wichtig, um mich sicherer zu fühlen und Grenzen zu setzen.

Rotz: Ja, das stimmt. Das passiert leider immer wieder. Gerade bei unseren ersten Konzerten, bei denen wir selber noch ziemlich unsicher waren, hat uns das sehr verunsichert. Unsere Erfahrung sagt aber auch, dass so blöde und sexistische Sprüche oder auch Mansplaining häufig von Cis-Männern kommen, die den Sound machen und dann selber unsicher oder überfordert sind.

Mittlerweile ist es mir wichtig, Weiblichkeit auf der Bühne zu zeigen. Da bekomm‘ ich dann schon oft nach dem Konzert als Feedback, dass ich so gut auf der Bühne ausgesehen habe. Das ist natürlich auch schön zu hören, aber ich frag mich dann schon auch, welchen Cis-Männern das nach Konzerten gesagt wird. 

Inzwischen gibt es ja auch Jam Sessions für FLINTA* only, wie GRRRL NOISY in Berlin oder Flintones in Leipzig. Wie findet ihr solche Veranstaltungen?

Wir finden solche Veranstaltungen extrem wichtig. Solche Begegnungsräume gibt es noch viel zu wenig. Sie können total empowernd wirken, denn es gibt immer noch viel zu wenige FLINTA* auf der Bühne und v.a. im Punkrock.

Bezeichnet ihr euch als Feminist*innen und wenn ja, was bedeutet das für euch?

friz: Auf jeden Fall! Aber was das bedeutet, ist gar nicht so einfach zu sagen, weil sich das immer wieder ändert. In jedem Falle ist Queerfeminismus für mich wichtig, also eine Kritik an Zweigeschlechtlichkeit und Heteronormativität, aber auch an Rassismus und Klassismus. Wobei ich wichtig finde, dass Herrschaftsverhältnisse ernst genommen werden und nicht beliebig erscheinen. Ich finde diese liberalen Ideen von Gleichheit und Freiheit schwierig, so als wäre das Leben wie ein Kleiderschrank, aus dem sich jede*r jederzeit und beliebig bedienen könne. Ich denke, und das habe ich von dekolonialen und antirassistischen Feminist*innen gelernt, dass wir Verschiedenheit akzeptieren und zur Grundlage machen müssen, um uns anders und solidarischer begegnen zu können. 

Einmal selbst ein Lineup zusammenstellen – wer würde auf eurer Festival Bühne stehen?

Darf man auch Bands nennen, die es nicht mehr gibt? Das wär‘ dann ein wilder Mix: Unterrock, Östro 430, Kenny Kenny Oh Oh, Sonic Youth, Sleater Kinney, Team Dresch, Petrol Girls, Erring Soda, Dachlawine, PMS Hitfabrik, Anne Clarke, Boy Harsher, Light Asylum, Hyena Hysteria, Cuntine, Hans-A-Plast.

Auf welche Veranstaltungen freut ihr euch demnächst und wo spielt ihr? Was ist geplant?

Wir freuen uns immer sehr, in queeren Kontexten zu spielen. Das Publikum und die Stimmung sind dann meistens viel angenehmer. Ansonsten machen wir gerade unsere erste LP „Pommespunk“ fertig, die wir letztes Jahr zusammen mit den netten Menschen von Parachute Pony aufgenommen und produziert haben. Wir sitzen noch am Cover und dann geht es ins Presswerk.

Gibt es besondere Projekte, Bands, Labels, Kollektive oder sonst irgendwas, was ihr unseren Leser*innen empfehlen könnt? Wollt ihr noch etwas loswerden, was bisher nicht zur Sprache kam?

Auf jeden Fall empfehlen wollen wir das queerfeministische Label FAUCHKRAMPF!, das beste Label der Welt, und die eben schon erwähnten Menschen von Parachute Pony. Ansonsten vielen Dank, sehr cool, dass es mittlerweile diesen Raum in der Plastic Bomb gibt. <3