Tini von BLACK CAT TAPES im Interview
Heute im Interview: Tini vom DIY Label Black Cat Tapes. Zu lesen gibts neben Label-Infos auch Tinis Erfahrungen zur Podiumsdiskussion von #punktoo Potsdam, Geschlechterverhältnisse in der Provinz und natürlich sonstige Geschichten aus dem Nähkästchen. Viel Spaß!
Hallo Tini, schön, dass du Zeit für ein Interview hast. Du machst das DIY Tape Label BLACK CAT TAPES, richtig? Erzähl uns doch zum Einstieg mal etwas über deine musikalische Sozialisation und was deine Vision für das Label ist.
Meine erste Berührung mit Punkmusik hatte ich mit „Die Ärzte“. Das erste Album was ich von denen gehört habe war damals das MTV Unplugged Konzert „Rock‘n‘Roll Realschule“. Das war ungefähr 2003, wenn ich mich recht erinnere, d.h. ich war da 13 Jahre alt. Ich habe dann still und heimlich alleine in meinem Zimmer angefangen mich mit Punk zu beschäftigen und alles was in die Richtung Pennywise, Offspring, Wizo und Terrorgruppe ging, gehört. Mit 15 bin ich dann in der nächstgrößeren Stadt in den selbstverwalteten Jugendclub, ein ehemals besetztes Haus, gegangen und habe dort meine ersten Punkkonzerte erlebt und ein paar Jahre später dort auch organisiert.
In der Zeit hat es sich so entwickelt, dass ich immer irgendwie was mit Musik zu tun hatte, sei es Konzerte organisieren, Gitarre/ Bass spielen lernen, die erste eigene Band usw. So lag es für mich nur nahe als Tobi mich fragte, ob ich Bock hätte bei Black Cat Tapes mitzuwirken, ja zu sagen. Ein Label war zu dem Zeitpunkt was neues für mich und auf ein neues Projekt hatte ich Bock. Außerdem ist die Kassette so ein schönes Oldschool Medium und das Beste ist, egal ob als Band oder Konsument:in, einfach jede:r kann sich eine Kassette leisten. Also sowohl die Herstellungskosten, als auch der Verkaufspreis am Ende sind einfach unschlagbar. Hinzukommt, auf einem Konzert passt ein Tape super in die Hosentasche anstatt eine LP 😉 Das so ein wenig meine Vision: die Musik für jede:n zugänglich zu machen und coolen Bands/ Künstler:innen die Möglichkeit geben ihre Musik aufzunehmen und unter die Leute zu bringen.
Wer findet auf deinem Label alles Platz? Wie wählst du die Bands aus?
Auf Black Cat Tapes findet jede:r Platz, der/ die eine klare antifaschistische Attitüde vertritt. Dazu zählt für mich jegliche Form von Diskriminierung, Ausgrenzung und Unterdrückung zu kritisieren und dagegen aktiv zu werden. Dies ist uns (wir betreiben das Label zu zweit) bei den Musiker:innen und Künstler:innen, mit denen wir zusammenarbeiten, super wichtig.
Die Bandauswahl erfolgt meistens ganz unspektakulär über Kontakte. Dadurch dass Tobi und ich schon lange in der Subkultur unterwegs sind und wir beide an unterschiedlichen Orten früher Konzerte organisiert haben, haben wir einfach die Freund:innen und Bekannt:innenliste durchgeklappert. Natürlich kam auch mal die ein oder andere „unbekannte“ Anfrage rein. Dann wurde vorab ein persönliches Gespräch geführt und sich gegenseitig kennengelernt.
Was kannst du zum Geschlechterverhältnis der Bands sagen? Ist es dir wichtig, dass das ausgeglichen ist und wie gut oder schlecht lässt sich das überhaupt umsetzen?
Das Geschlechterverhältnis spielt eine große Rolle. Vor allem nach den ersten 10 Releases ist uns aufgefallen: upps, irgendwie sind das alles Typen und daran müssen wir etwas ändern. Anfangs haben wir befreundete Bands gefragt, da so ein Release auch viel mit Vertrauen zu tun hat. Wir wollten erstmal Erfahrungen sammeln und parallel haben wir uns so etwas wie einen positiven „Ruf“ erarbeitet, sodass es uns nun auch leichter fällt mit „neuen“ Leuten zusammen zu arbeiten.
Mittlerweile haben wir knapp über 30 Releases und ein ausgewogenes Geschlechterverhältnis würde ich behaupten. Vor allem auf unseren Samplern achten wir sehr darauf, diese sowohl vom Genre, als auch vom Geschlechterverhältnis so divers wie möglich zu gestalten.
Die Umsetzbarkeit kann schon eine kleine Herausforderung sein, wobei ich das Gefühl habe, dass sich immer mehr Flinta* trauen Musik zu machen. Da Tobi und ich im privaten oder bei unseren subkulturellen Aktivitäten darauf achten ein ausgeglichenes Geschlechterverhältnis zu haben, ist die Umsetzung gar nicht so schwer. Wie gesagt ergibt sich die Bandauswahl ja eher im Freundes- und Bekannt:innenkreis.
Was war das erste Tape, das du/ihr rausgebracht habt?
Inoffiziell war ich seit dem ersten Tape von Black Cat Tapes mit dabei und habe beim Falten, Nummerieren und Kleben geholfen. Bei den darauffolgenden Releases hat es sich ebenso ergeben, sodass ich dann ganz offiziell gefragt wurde, ob ich nicht als fester Bestandteil beim Label mitmachen möchte. Bei welchem Tape genau das war kann ich jetzt gar nicht mehr sagen.
Bist du selbst musikalisch aktiv oder hast du auch schon in Bands gespielt? Wenn ja oder nein, warum bzw. warum nicht?
In der Tat gibt es eine aktive musikalische Vergangenheit. Angefangen hat dies, als ich mit ungefähr 16/17 Gitarre spielen wollte. Als Jugendliche ging ich meiner Mutter mit diesem Wunsch so auf die Nerven, dass sie mir sogar eine Musikschule finanzierte. Meine erste Band war eine Emo-Punk-Band, in der ich allerdings Bass spielte. Ehrlich gesagt war das nicht meine Musik, ich tat es eher um einem damaligen guten Freund einen Gefallen zu tun, weil niemand Bass spielen wollte. Die zweite Band in der ich aktiv war, war eine reine Mädelsband und auch da war ich wieder am Bass. Das hat auch echt Laune gemacht. Leider haben wir uns nach den ersten zwei eigenen Liedern und paar Coversongs auch wieder aufgelöst. Warum kann ich gar nicht mehr genau sagen.
Heute bin ich weder musikalisch in einer Band aktiv, noch besitze ich eine Gitarre oder Bass. Irgendwann war für mich die politische Arbeit bedeutsamer, sodass neben Ausbildung nur noch Zeit blieb um in der Freizeit ein wenig zu spielen. Dann wurde das Geld knapp und ich musste nach und nach meine Instrumente verkaufen. So schlich es sich ein, dass ich seit einigen Jahren keine Gitarre mehr in der Hand hatte.
Du warst ja vor Kurzem erst bei der Posiumsdiskussion “Sexismus im Punk” von #punktooPotsdam – was konntest du dir von dort mitnehmen?
Aus meiner privaten Biografie heraus war für mich das prägnanteste die lokalen Unterschiede zu betrachten. Es wurde sich darüber ausgetauscht, wie sinnvoll eine Flinta* Quote bei Veranstaltungen ist. Wenn ein Konzert in der Provinz organisiert wird und auf der Bühne nur cis- Typen stehen, würde ich die Veranstalter:innen niemals dafür anzählen. Für mich ist es wichtiger, was passiert sonst noch in dem Laden, welches Geschlechterverhältnis haben/hatten die Konzerte danach/davor usw usf. Ich selbst hab die Erfahrung damals in der Kleinstadt gemacht. Es gab ein minimales Budget und damit sollten dann drei Bands gebucht werden. Da gab es dann nicht die Auswahl, weil vorrangig auf lokale Bands zurückgegriffen werden musste und wenn dann keine Band mit Flinta* Beteiligung dabei war, dann war das leider so. Hoffentlich wurde das an dem Beispiel deutlich, was ich mit lokale Unterschiede meine. Sobald du nicht in einer Bubble wie Berlin, Hamburg, Leipzig oder so aktiv bist, arbeitest du mit dem, was du vor Ort hast.
Dennoch möchte ich nochmal betonen, dass es natürlich wichtig ist auf das Geschlechterverhältnis zu achten und da können Quoten, wo dies realistisch umsetzbar ist, eine hilfreiche Methode sein. Aber nur, weil eine Quote erfüllt ist, sollte sich darauf nicht ausgeruht werden, denn meistens geht da oft noch mehr 😉
Wichtige Frage: Was denkst du, warum auf den Bühnen immer noch mehr cis Typen stehen als FLINTA*? Wie kann man das ändern?
Zum Einen denke ich fehlen einfach die weiblichen Vorbilder auf der Bühne. Zum Anderen würde ich sagen, sind Flinta* einfach viel mehr Druck ausgesetzt, wenn sie auf der Bühne präsent und laut sind. Die Zuhörer:innen sind Flinta* gegenüber kritischer und im allgemeinen weniger fehlerfreundlich. Wenn ein Typ auf der Bühne sein Instrument nur halb beherrscht und vllt noch paar Töne trifft, ist Applaus in den meisten Fällen vorprogrammiert. Wäre dies bei einer Flinta* der Fall, würde viele skeptisch fragen, ob sie sich sicher ist in einer Band zu spielen.
Das Problem fängt meistens bereits in der Sozialisation an. Flinta* bekommen beigebracht sich ruhig zu verhalten, im Hintergrund tätig zu sein und optisch dem gesellschaftlichen Schönheitsideal zu entsprechen, während von cis- Typen ja quasi genau das Gegenteil verlangt wird. Sich dieser Tatsache bewusst zu werden, ist bereits ein wichtiger und richtiger Schritt. Dieser Schritt muss häufig auch in linken Kontexten gegangen werden, denn gestehen wir uns ein, jede:r von uns trägt diese gesellschaftlichen Konstrukte in irgendeiner Art und Weise in sich. Wenn wir uns dessen bewusst sind, können wir hoffentlich bald das Geschlechterverhältnis auf der Bühne ändern und auch anderswo (zumindest wäre das mein Wunschdenken).
Was bedeutet Feminismus für dich?
Feminismus bedeutet für mich die Diskriminierung aufgrund des biologischen oder sozialen Geschlechtes zu erkennen, zu benennen und abzuschaffen, dabei aber nicht den Blick auf das große Ganze zu verlieren. D.h. die geführten Kämpfe, wie gegen Rassismus, soziale Ungerechtigkeit und die Klimakrise, miteinander zu verbinden und Gemeinsamkeiten zu finden. Die ausgrenzenden Merkmale, wie z.Bsp. Sexualität, Hautfarbe und Geschlecht, basieren auf erfundenen gesellschaftlichen Konstrukten und gehören endlich über Bord geworfen.
Letztendlich geht es um ein Miteinander auf Augenhöhe, um Empathie, Respekt und Wertschätzung.
Wer würde auf deinem Wunsch-Festival spielen? Ein spezielles Lineup?
Da ich neben Black Cat Tapes noch beim Ultrash-Festival dabei bin, würde ich spontan sagen, alle die da schonmal gespielt haben. Nach so einer langen Konzert-/ Festivalpause ist es echt schwer zu beantworten. Auf jeden Fall würde ich die Genres mischen, weil ich diese Vielfalt mag. Dabei sein sollten: The Baboon Show, VSK, Resaka Sonara, Bambix, Social Decline, Grit, Refpolk, Sara, Black Square, Resistenz32, Notgemeinschaft Peter Pan und noch viele viele mehr, die mir jetzt nicht einfallen.
Hast du selbst schon negative Erfahrungen in Sachen Sexismus erlebt oder gibt es irgendeine Geschichte, die vielleicht sogar sehr positiv ist und die du hier teilen möchtest?
Leider muss ich diese Frage mit Ja beantworten. Dennoch konnte ich diesen negativen Erfahrungen auch häufig was positives entnehmen. Wie an dem einem Konzertabend, wo ich Teil des Veranstaltungskollektivs war. An dem Abend haben wir eine Oi-Band veranstaltet und im Publikum war ein richtiger Prollo-Oi, der meinte sein T-Shirt ausziehen zu müssen. Also bin ich hin und bat ihn darum, er möge doch sein T-Shirt wieder anziehen, wenn er weiter das Konzert sehen will. In unserem Kollektiv hatten wir dazu eine ganz klare Haltung. Seine Reaktion war eine Beleidigung aufgrund meines Geschlechtes und die Frage, ob ich denn noch nie ein Oi-Konzert besucht habe. Als ich diese Frage mit „Ja, schon viele“ beantwortete, guckte er das erste Mal blöd. Als ich dann auch noch hartnäckig blieb, guckte er das zweite Mal blöd, schrie rum und verließ den Laden. Im Anschluss daran wurde ich von zwei Frauen angesprochen, die sich bedankten und sich trauten, nachdem er gegangen war, wieder vor der Bühne zu tanzen. Das tat echt gut und bestärkte mich, auch weiterhin den Mund aufzumachen.
Gibt es etwas, was du hier gern noch beantwortet hättest und was nicht zur Sprache kam?
Vielen Dank dass ich Teil dieser wundervollen Interviewreihe sein darf. Das ehrt mich wirklich sehr.
Dann will ich den Teil noch nutzen und ein wenig Werbung für das Black Cat Zine #2 machen, welches im August/ September erscheinen wird. Checkt das aus. Hört mehr Tapes.
Danke für das Interview, Tini!