Luise von LAUDARE im Interview
Willkommen zurück bei GRRRLZ* TO THE FRONT nach der Sommerpause. Weiter geht es heute mit Luise von der Band LAUDARE. Und ja, ich habs jetzt kapiert: Metal ist nicht gleich Metal 😀 Viel Spaß beim Lesen und bleibt dran!
Hallo Luise, schön, dass du Zeit für ein Interview bei mir hast. Personen aus Metal-Bands habe ich echt selten im Interview – das soll sich ändern! Vielleicht magst du erst einmal kurz was zu deiner Band LAUDARE sagen und wie du überhaupt zur Musik gekommen bist?
Liebe Chrissi, herzlichen Dank für dein Interesse an Laudare!
Tatsächlich empfinde ich das Label „Metal“ für Laudare gar nicht so treffend, bzw. erscheint es mir extrem verkürzt. Unsere Musik ist inzwischen so vielschichtig, dass es schwer fällt, dem ganzen einen Namen zu geben. Dass wir selbst die Musik als Metal bezeichnen, entsteht wohl aus einer reinen Notwendigkeit heraus.
Wir kommen alle aus sehr unterschiedlichen musikalischen Kontexten und auch die Musikgeschmäcker innerhalb der Band und innerhalb der Bandmitglieder sind verdammt divers. Da fühlt sich niemand einer bestimmten Szene verpflichtet.
Laudare besteht aktuell aus Olli (Drums), Daniel (Gitarre+Piano+Gesang), Almut (Cello+Gesang) und mir an Bass und Mic. Für mich auf jeden Fall eine große Ehre, mit so talentierten und fähigen Musiker*Innen Musik zu machen. Das ist unheimlich bereichernd und motiviert mich immer wieder zur persönlichen musikalischen Weiterentwicklung. Dickes Herzchen an euch <3
Ich selbst habe habe mir mit 14 von meiner Mutter und ihrem damaligen Freund eine E-Gitarre und einen kleinen Übungsamp schenken lassen. Damit fing alles an. Das Stichwort zur Motivation ist wohl Selbstermächtigung. Ich war ein sehr introvertiertes Kind, das trotzdem zu den „coolen Kids“ gehören wollte. Und da ich ein kleiner Nerd war und wenig natürliche Coolness besaß, war Rockmusik naheliegend 😉 Ich erinnere mich, dass ich in der Zeit davor eine furchtbare amerikanische Komödie gesehen habe. Darin ging es um eine Jugendliche, die E-Gitarre in einer Band spielte und so ein bisschen als Avril Lavigne Verschnitt dargestellt war. Die Szene, wie sie mit ihrer Band auf der Bühne stand hat mich schwer beeindruckt und in meinem Kopf entstand die Idee, wie ich aus meinem Mobbing-Opfer/Nerd Dasein ausbrechen könnte. Sportlich war ich nie versiert, sonst wäre ich vielleicht stattdessen auch einfach auf der Halfpipe gelandet 😉 Außerdem war der damalige Partner meiner Ma sehr musik-affin und spielte selbst Gitarre. Dadurch kam ich erstmals mit dem Instrument und klassischer Rockmusik (Jethro Tull, Pink Floyd, Rolling Stones, The Beatles, …) in Kontakt.
Da meine Mutter zu der Zeit bei der AWO in Jena gearbeitet hat, kam ich dazu, in einem Jugendmusikprojekt in einem dortigen AWO Jugendzentrum anzufangen. Die nächsten Jahre verbrachte ich damit, mehr schlecht als recht alle möglichen Klassiker von Toto bis Queen auf der Gitarre zu lernen und in meiner Freizeit in meinem Kinderzimmer das Ärzte Songbook hoch und runter zu spielen/singen (peinlich, peinlich…)
Zum Bass kam ich dann zwei Jahre später mehr oder weniger durch Zufall, weil der Basser von dem Projekt kurz vor einem Auftritt ausfiel und ich die einzige war, die gleichzeitig fix im Lernen war und an der Gitarre verzichtbar genug, dass ich einfach das Instrument switchen konnte. Seitdem hab ich die Gitarre kaum noch angefasst 😉
Kannst du dich an euer erstes Konzert erinnern? Wie war das für dich? Oder hast du vorher noch in anderen Bands gespielt und schon Bühnenerfahrung mitgebracht?
Klar, unser erstes Konzert hatten wir im Kassablanca in Jena (auch dorthin ein dickes Herzchen <3). Damals noch zu dritt und mit Jussi an den Drums.
Auf jeden Fall war das aufregend, aber auch eine super coole Erfahrung. Wir kamen da an – die Band gab es gerade seit einem halben Jahr – und haben das Ding kräftig abgerissen. Fairerweise muss man aber auch erwähnen, dass ich im Kassa absolutes Heimspiel habe und alle möglichen alten Freunde und Bekannte da waren.
Bühnenerfahrung hatte ich allerdings schon vor Laudare reichlich. Allein durch das Jugendmusikprojekt, mit dem wir regelmäßig aufgetreten sind. Nach dem Abi habe ich mit Freunden meine erste eigene Band gegründet. Wir haben Metal gemacht (diesmal wirklich!) und für die Größenordnung, in der wir unterwegs waren, hatten wir vergleichsweise recht viele Gigs.
Was denkst du über Frauen/FLINTA* im Metal? Noch schwieriger? Noch spezieller? Noch seltener als in anderen Genres?
Uff, schwer zu sagen. Ob das nun wirklich seltener vorkommt, als in anderen Genres, aber dafür stecke ich wohl inzwischen einfach nicht mehr tief genug in der Metal-Szene. Auf jeden Fall kann ich sagen, dass ich im reinen Metal-Kontext öfter sexistische Kommentare hören musste, oder gerade von jungen Konzertbesuchern angesprochen wurde, dass sie noch nie eine Frau gesehen hätten, die Musik macht. Das spricht also vielleicht für die These.
Mir fällt es tatsächlich schwer, auf diese Frage zu antworten, ohne dass ich das Gefühl bekomme, einer ganzen Szene unrecht zu tun. Ich stecke schon lange nicht mehr drin in der Metal Szene. Meine Erfahrungen in der Richtung sind einige Jahre her und weil es eben Erfahrungen sind, geben sie kein umfassendes Bild wieder.
Ich kenne tatsächlich durchaus einige Metalbands verschiedener Größenordnungen, die Frauen dabei haben. Nur spielen die häufig entweder eine untergeordnete Rolle, müssen als engelsgleicher Kontrast zum vor Maskulinität strotzenden Rest der Band herhalten, oder behaupten sich ihren Raum durch extreme Hau-Draufigkeit. Ein einfaches, authentisches „Hey, ich mache geile Musik, und ja, ich bin auch eine Frau, aber vor allem bin ich als Musikerin hier.“ vermisse ich da meist. Letzten Endes entsteht nur auch diese Bewertung aus der Tatsache heraus, dass so wenige Frauen Metal machen. Das Rollenspiel auf der Bühne gehört geschlechtsunabhängig wohl einfach dazu und fällt mir bei den Musikerinnen einfach mehr ins Auge, weil es ein ungewohnteres Bild ist.
Im Studium habe ich mal eine Hausarbeit darüber geschrieben, welche Rolle Frauen in Metalbands spielen und wie die Geschlechtsidentität der Musikerinnen (bzw. speziell Sängerinnen) die Brandingstrategie ihrer Bands/Projekte bestimmen. Zwei meiner Hauptbeispiele, die den zuvor angesprochenen Gegensatz gut illustrieren waren Tarja Turunen und Otep Shamaya.
Fairerweise muss ich dazu sagen, dass es hier vor allem um einen sehr großen und breitenwirksamen Bereich des Metal geht, in dem die Vermarktung einfach eine verdammt große Rolle spielt. Das sieht im Underground auch wieder anders aus.
Worum geht es in euren Songs, wer schreibt die Texte, was ist euch wichtig?
Die Texte von d.é.o.m.é. und Have Heart, Waste Flesh hat allesamt Daniel geschrieben. Es geht um sehr persönliches, allzu menschliches. Um die Auseinandersetzung mit sich selbst und der Welt, um das Leben und seine Unwägbarkeiten, die eigene Entwicklung und die Tatsache, dass man immer wieder an sich selbst scheitert.
In vielen Punkten sprechen mir Daniels Texte sehr aus der Seele, daher fällt es mir nicht schwer, sie zu fühlen und zu performen.
Für unser drittes Album haben wir uns des lateinischen Requiem-Texts angenommen. Das ist was komplett neues und extrem spannend für uns. Für mich im speziellen, weil ich mir diese Texte aus der toten Sprache heraus erarbeiten musste und erst Stück für Stück nachfühlen konnte, was da gemeint ist.
Ansonsten habe ich mich inzwischen auch an der Lyrik versucht und eine handvoll Texte auf Englisch und Deutsch geschrieben. Ähnlich wie in Daniels Texten geht es um sehr persönliche Themen der Selbstbeobachtung und Identitätsfindung, um Lebensereignisse, die für mich sehr zentral und prägend waren, um tiefe Verbindung und um Entfremdung. Die werdet ihr sicher bei künftigen Releases zu hören bekommen.
Hast du persönlich musikalische weibliche Vorbilder, vor allem im Metal-Bereich?
Nicht wirklich. Ich würde mich, wie gesagt, nicht als Metallerin bezeichnen, ich höre eigentlich kaum noch Musik in dieser Richtung. Mit den Musiker*innen, die in den Bands mitwirken, die ich so höre, beschäftige ich mich allerdings auch wenig. Ich fürchte, bei vielen von denen, könnte ich nicht mal sagen, ob überhaupt FLINTA* Personen dabei sind. Wichtig ist mir in erster Linie die Musik, wer da mitspielt ist eher eine zweitrangige Information.
Ich erinnere mich, dass ich mit 13/14, als ich überhaupt anfing, mich mit Musik zu beschäftigen, das Musikvideo von Guano Apes „Lords of the Boards“ gesehen habe und hin und weg war von Sandra Nasic. Die Energie, die sie gesanglich rüber gebracht hat, hat mich einfach weg gehauen. Von einer Frau hatte ich sowas noch nie gehört.
Zum Schreien kam ich ungefähr 2015 durch ein Workshop-Video von Angela Gossow (ex Arch Enemy). Ihre Art zu Schreien fand ich immer unheimlich stark und dieses Video mir sehr geholfen hat, meine Taschenfalten zu finden und eine Idee von der Technik zu entwickeln. Danke Angela!
Ungefähr zur selben Zeit beschäftigten mich Skin (Skunk Anansie) und the one and only Björk.
Wichtige Frage: Was denkst du, warum auf den meisten Bühnen immer noch mehr Männer als FLINTA* zu sehen sind?
Das ist wie immer wahnsinnig multifaktoriell.
Da ich vor allem aus meiner eigenen Erfahrung heraus berichte, würde ich mich an dieser Stelle auf die (cis-)weibliche Perspektive beschränken.
Für die weiblich gelesenen Personen, hat das sicher mit der Erziehung als Mädchen zu tun, dass dir beigebracht wird, lieb und nett, ruhig und bloß nicht zu unbequem zu sein. Um dir als Musikerin Gehör zu verschaffen, musst du einen gewissen Biss haben, du musst laut sein können und wollen und gern auch ein bisschen abgedreht. Du musst dich abheben und im Zweifel genau so laut rülpsen und furzen können wie deine männlichen Kollegen ;). Das sind Eigenschaften, die vielen Mädchen abtrainiert werden, bzw. von Anfang an in sehr gezielte Bahnen gelenkt werden. Sicher ist das bei Jungs nicht so viel anders, aber das laut sein, Auffallen und aus der Reihe tanzen ist hier wesentlich akzeptierter. „Der Junge muss sich eben austoben und seine Hörner abstoßen. Irgendwann wird er schon ruhiger.“
Außerdem werden Mädchen häufig zu sozialeren Persönlichkeiten erzogen. Ein Instrument zu lernen und zu üben wiederum ist, bis zu dem Moment an dem man gut genug ist, in einer Band zu spielen, eine sehr einsame und stupide Tätigkeit und es kostet Überwindung, weil es anfangs eben grausig klingt. Wenn ich ein Instrument lerne und mit anderen Menschen in einem Haushalt lebe, lässt es sich kaum vermeiden, dass jemand mein Gestümper mithört, und jemand der direkt neben dir sitzt während du übst, wird dir immer als Störfaktor erscheinen. Zu diesem sozialen Rückzug muss man sich erst mal überwinden, und ich denke, dass das männlich erzogenen Personen tendenziell leichter fällt.
Dazu kommt, dass es weniger Vorbilder gibt, vor allem für Instrumentalistinnen, und dass Mädchen auch häufig bevorzugt im klassischen Bereich gebildet werden. Ein Mädchen, das singt oder Violine oder Klavier spielt, ist lieblich, aber was, wenn sie lieber Schlagzeug lernen will…? Daher wird man Frauen auf der Bühne wohl am ehesten als Sängerinnen oder am Keyboard antreffen.
Was männlichen Musikern oft zugeschrieben wird und als interessant und attraktiv gilt (die Unabhängigkeit, Eigensinn, Wildheit, Präsenz und Charisma, …) wird bei Frauen häufig eher misstrauisch beäugt und macht sie schnell zu einer schwierigen Person im Umgang. Ich denke auch, dass vielen Mädchen beigebracht wird, sich nicht zu sehr mit diesen Eigenschaften zu identifizieren. Das macht das Musikerin-Sein vor allem in einer Szene, die so extrem erscheint, wie die Metal-Szene, für Frauen einfach weniger attraktiv.
Bezeichnest du dich selbst als Feministin und wenn ja, was bedeutet das für dich?
Schwierige Frage. Nein, so bezeichnen würde ich mich tatsächlich nicht. Das liegt aber daran, dass es mir widerstrebt, mir einen solchen Begriff aufzubürden. (Und nein, ich bin bestimmt keine Metallerin! 😉 ) Und gleichzeitig ist mein Wissen um das Thema viel zu oberflächlich, als dass ich mich des Begriffs guten Gewissens annehmen könnte.
Natürlich kann ich nicht behaupten, dass mir feministische Inhalt fern wären, oder ich mich gar nicht damit beschäftigen würde. Grundsätzlich bin ich ein großer Freund von Chancengleichheit und Gleichberechtigung, von einem fairen und respektvollen Umgang miteinander, aber auch von Individualisierung und Selbstermächtigung. Was ich als wünschenswert empfände, wäre ein Umgang, bei dem jede*r in der Lage ist, die eigenen Bedürfnisse und Grenzen zu erkennen und zu kommunizieren und auf dieser Basis der/die Einzelne von klein auf ein gesundes Selbstbewusstsein erlernen kann. Ich sehe da ein ebenso strukturelles wie individuelles Problem, aber da die größeren Strukturen aus Individuen entstehen, sehe ich in letzterem Bereich eher eine Möglichkeit der Einflussnahme für mich persönlich.
Ich habe nicht das Gefühl, die Dinge die ich tue, aus einer feministischen Mission heraus zu tun. Wenn ich damit trotzdem jungen Frauen und Mädchen neue Wege und Perspektiven aufzeigen kann; um so besser 🙂
Was hat Corona für dich verändert? Was denkst du wie es in Sachen Musik weitergehen soll?
Die Corona-Zeit war für mich sehr zwiespältig. Dadurch dass wir keine Konzerte mehr spielen konnten (vorher waren wir fast jedes Wochenende irgendwo unterwegs), konnte ich einige Dinge in meinem Leben klären, die sonst immer liegen geblieben waren und konnte mal richtig runter fahren. Das hat mir erstmal sehr gut getan.
Die erste Zeit haben wir sehr intensiv genutzt und übers Internet die Songs für unser neues Album zusammen geschustert. Seit die Songs fertig und aufgenommen sind, herrscht nur leider etwas Flaute. Wenn wir irgendwann mal wieder live spielen wollen, müssen wir erstmal wieder lernen wie das geht. Haha
Wir für unseren Teil schreiben schon wieder an den nächsten Laudare-Songs und fiebern dem Release unseres Requiems entgegen.
Es wäre schön, wenn sich die Live-Musik-Szene erholen würde und nicht nur die Venues und Bands überdauern, die vorher bereits die Spitze des Eisbergs gebildet haben. Das wird die Zeit wohl zeigen.
Für mich ganz persönlich war der Prozess, das Requiem zu schreiben, zu proben und zu recorden sehr spannend und lehrreich. Wir alle sind mehrfach an unsere Grenzen gestoßen, es war äußerst konfrontativ, aber dadurch umso fruchtbarer, weil nun klar ist, was die künftigen Baustellen sind.
Wer spielt auf deinem Wunsch-Festival?
Muse auf jeden Fall. Das würde ich nicht verpassen wollen 😉
OM, the Black Heart Rebellion, Thrice, Cult of Luna, Current 93 (seltsam, ich weiß 😉 ), Ez3kiel, Nerve, Skunk Anansie und Björk (natürlich!)
Und demjenigen, der Pink Floyd und Rio Reiser wiederbelebt, wäre ich verbunden.
Okay, ich gebe zu, die Mischung mutet skurril an, ist aber das Best Of an Bands, deren Live Shows ich unbedingt (noch) mal mitnehmen wöllte, teils aus nostalgischen, musikalischen oder künstlerisch-ästhetischen Gründen.
Danke schon Mal im Voraus an die Organisatoren 😉
Danke dir für das Interview und deine Zeit!