Krav Boca

Das Interview führte Lisa via Email mit der Band.

Letztens bin ich über Krav Boca gestolpert und war zügig von deren Videos und Sound gecatched. Visuell hat die Truppe es auf jeden Fall drauf und nachdem ich mir die Songtexte auf Englisch angeschaut habe, war ich auch von deren Lyrics angetan. Politisch, DIY und starke Videos. Was und wer dahinter steckt hier:

Was bedeutet euer Bandname Krav Boca ?

Wir wollten einen Namen der Kämpfe evoziert, auch klanglich. Uns gefiel die Klangfülle des Kampfsportnamens „Krav Maga“* aber haben wir ihn mit dem spanischen Wort „boca“ gewählt, da wir mit unserem Rap kämpfen.

(anm: “Krav Maga“ bedeuet auf hebräisch „Kontaktsport“ und ist ein modernes, durch unterschiedliche Methoden zusammengesetztes Selbstverteidigungssystem (vgl. Wikipedia), das Wort „Boca“ bedeutet übersetztet „Mund“)

Was steckt hinter Krav Boca und den „drei Meistern der Zeremonie“?

Die 3 Sänger und der Mandolinist sind der Ursprung der Gruppe. Die Besetzung ist relativ stabil, obwohl wir innerhalb von 6 Jahren schon mehrere Schlagzeuger und Gitarristen hatten. Die Idee Masken aufzusetzen kam schon sehr früh, sowie sich zu schminken und zu verkleiden.
Die Texte sind in unserer Gruppe sehr wichtig. Damit sie gehört werden, mischen wir ihnen noch etwas Visuelles bei. Die Masken welche wir tragen, lenken die Aufmerksamkeit auf unsere Musik, nicht auf unsere Person.

Ihr betitelt euch als DIY PUNK.
Was bedeutet DIY für euch und welche Einflüsse hat dies auf eure Musik & Leben?

Seit dem Start der Gruppe haben wir alles selbst gemacht: Organisation von lokalen Konzerten,Touren, Eigenproduktion unserer Musik, Kommunikation, Produktion von Visuals und Plakaten sowie unserer Clips.
Es ist sehr wichtig für uns unabhängig zu sein und absolut alle Entscheidungen zu treffen. Das ist unsere Definition von Freiheit. Dieser Geisteszustand setzt sich in unserem Alltag fort. Wir lehnen es ab, Befehle von einem Chef anzunehmen. Es ist manchmal schwieriger selbst die Verantwortung zu übernehmen aber auf lange Sicht ist es die beste Lösung um seinen Überzeugungen treu zu bleiben.

“Weder Punk, noch Rap oder Metal, sondern definitiv eine Kombination aus allen dreien“, steht auf eurer Homepage. Was ist die Motivation hinter dem Genre-Mix?
Gibt es Bands, die euch beeinflusst haben?

Die Sound-Identität der Band hat sich im Laufe der Zeit entwickelt, durch Begegnungen und Touren. Die Musikkultur der Gründungsmitglieder ist eher auf Rap ausgerichtet. Unsere Gitarristen und Schlagzeuger haben unser Musikleben erweitert, aber das ist noch nicht alles: Von 2015 bis 2019 haben wir viele Konzerte gespielt (über 300 in Europa). Wir haben uns fleißig in der DIY-Punk-Community umgesehen (in jeder Hinsicht: Crust, Punk, Hardcore…) und diese Erfahrungen haben unsere Musik beeinflusst.
Unsere Priorität ist es Musik zu machen die uns ähnelt. Wir wollten nie ein „Crossover“ zwischen Rock und Rap machen. In Sachen Ästhetik wollen wir etwas anderes bieten, jenseits der Etiketten. Im Sinne einer DIY-Philosophie.

Wenn Ihr jetzt Musik anmachen könntet, was würde laufen?
(Lieblingsbands, aktuelle Ohrwürmer)

Alle Künstler, mit denen wir Songs aufgenommen haben! Wirklich! Wir haben Featurings mit ihnen gemacht weil wir Fans sind. Meistens haben wir sie auf Tournee getroffen. Sie sind der breiten Öffentlichkeit nicht bekannt, eher im DIY-Bereich tätig und für uns ist ihre Musik außergewöhnlich. Es ist eine Ehre, sie zu unseren Alben einzuladen.
Sie kommen aus Griechenland (Sponty, Sara, Aeon), Spanien (Chata Flores), Deutschland
(Alice Dee), Italien (My Own Voice, Call the Cops), Marokko (Al Nasser, Mehdi Black Wind),
Belgien (Matrak Attakk) und aus Frankreich (Skalpel, Brigada Flores Magon).

„DIY PUNK Rap Mandoline“: Was hat es mit der Mandoline auf sich?
Sie ist nicht gerade dafür bekannt, Teil eines klassischen Punk-Ensembles zu sein.
Wie kam es dazu, das dieses Instrument ein fester Bestandteil von eurer Musik ist?

Die Mandoline war vor den anderen Instrumenten dabei (wie gesagt, die 3 Sänger und der Mandolinist sind die Gründungsmitglieder). Das es nicht geläufig ist, dass die Mandoline zu den klassischen (Punk-)Musikinstrumenten gehört, ist das ein Kompliment! Wir denken, dass es für eine Band eine große Pluspunkt ist anders zu sein als die Anderen.


Eure Texte sind auf Französisch und Griechisch. Was steckt hinter der Entscheidung, eure Texte in diesen Sprachen zu schreiben?

Einer unserer drei Sänger stammt aus Griechenland. Unsere Band bringt mehrere Nationalitäten zusammen (Französisch, Griechisch und Marokkanisch).

Einige eurer Musikvideos haben englische Untertitel. Wesshalb gilt das nicht für alle?

Seit dem Start der Gruppe (2015) waren wir regelmäßig auf Tour in Griechenland. Am Anfang haben wir deshalb unsere Songs nur ins Griechische und Französische übersetzt. Als unser Publikum internationaler wurde (Konzerte in Italien, Deutschland, Polen, Marokko etc.), beschlossen wir alles ins Englische zu übersetzen.

Eure Texte sind hoch politisch, woher kommt euer radikaler Input?

Unsere Botschaft ist klar.: gegen Faschismus, Sexismus und Homophobie.
Wir leben in einer instabilen, von Angst beherrschten Zeit, in der der Faschismus auf globaler Ebene ein Comeback feiert. Es ist unmöglich keinen Standpunkt einzunehmen.
Jenseits von Worten stellen wir unsere Musik in den Dienst dieser Sache, indem wir Hausbesetzungen und selbstverwaltete Orte, welche Flüchtlinge aufnehmen, unterstützen und regelmäßig für Antifa-Solidaritätsfonds spielen.

Hat euer Fanzine „Karton Zine“ etwas mit der Musik von Krav Boca zu tun oder thematisiert es etwas anderes?

Mit unserer Musik sind wir viel unterwegs und treffen viele außergewöhnliche Menschen in besetzten, alternativen oder selbstverwalteten Orten. Wir hatten das Bedürfnis ein Magazin zu machen., um über diese Menschen zu berichten, die man nie sieht. Menschen, die in alternativen Lebensstilen mutige, kluge und schöne Dinge schaffen. Menschen, die diesen Enthusiasmus außerhalb jeder geschäftlichen Perspektive teilen. Wir sprechen hauptsächlich über Musik aber es ist viel mehr als das. Es ist keine naive Vision, denn wir erleben es wirklich. Dieses Magazin ist sehr wichtig für uns. Es ist 60 Seiten lang und alles wird ins Englische übersetzt. Wir bringen drei Ausgaben pro Jahr heraus. Ihr könnt alle Artikel auch online auf unserer Website finden (karton-zine.com).

Für DIY wirken die Videos ziemlich professionell.
Warum habt Ihr euch dazu entschieden, mit qualtitativ hochwertigen Videos zu arbeiten?

Vielen Dank für das Kompliment. Wir lieben es Videos zu machen, genauso wie Musik zu machen. Es ist eine echte Freude beides miteinander zu verbinden. Für uns muss DIY ein Synonym für Qualität sein. Nur weil man für etwas nicht bezahlt wird heißt das nicht, dass man es nicht richtig machen sollte. Das ist unsere Art die Dinge zu sehen.


Eure Videos haben mich beeindruckt. Sie wirken ausdrucksstark und sorgfältig durchdacht. Ist es für euch wichtig, dass die Videos eure Botschaften unterstreichen und wie wichtig ist die Selbstdarstellung für Krav Boca?
Es ist absolut richtig, dass die Videos die Botschaft unterstreichen, besonders heutzutage, wo das Image so wichtig ist! Als Musikliebhaber lieben wir Bands, die tolle Musikvideos haben.

Alternative Orte, besetzte Häuser und Wagenplätze tauchen in den Videos auf.
Wie ist euer Verhältnis zu diesen Orten? Lebt ihr dort?

Wir sind mit vielen Leuten in verschiedenen Ländern verbunden. Wir verbringen viel Zeit in den besetzten Häusern wenn wir auf Tour sind. Viele Leute teilen unsere Ideen und wir kommen auf eine sehr einfache, sehr konkrete Weise in Kontakt. Wir unterstützen sie, und sie unterstützen uns. Sie heißen uns in ihren Häusern willkommen, wir laden sie auch zu uns nach Hause ein. Wir gehen nie allein, weil sie echte Freunde für uns sind. All diese Erfahrungen werden gemeinsam erlebt, vor allem erlaubt uns das Krav Boca Projekt uns zu verbinden und dauerhafte Freundschaften aufzubauen.

Ist es eine Entscheidung aus Überzeugung oder der letzter Ausweg?
Wie reagiert die griechische/französische Gesellschaft auf alternativen diese Orte?

Für uns ist es eine Entscheidung aus Überzeugung. Die Menschen, welche wir unterstützen, haben nicht den Luxus oder die Wahl. In Frankreich wie in Griechenland sind die besetzten Häuser das Ziel der Faschisten. Dabei gehören die besetzten Häuser in fast allen Fällen niemandem. Sie sind leer. Diese Abwesenheit von Menschlichkeit wird immer stärker. Die staatliche Repression wird immer massiver. Sie [die geflüchtete Menschen] brauchen mehr denn je die Unterstützung von Hausbesetzungen.

Was sind eure Pläne für die Zukunft?

Wir haben gerade eine LP veröffentlicht („Barrikade“) und wir bereiten schon das nächste Album vor! Wir planen auch einen Film zu veröffentlichen, der unsere Abenteuer auf Tour und unsere Vision von DIY nachzeichnet.

Danke für das Interview!!