Joshi (ZSK) im Interview
ZSK sind nicht nur die einzige deutsche Punkband, die im Jahr 2021 noch stolz das Etikett „Skatepunk“ mit sich herumträgt – sie sind wohl auch die einzige deutsche Punkband mit einem Bildungsauftrag. Das durch die maßgeblich betriebene Projekt „Kein Bock auf Nazis“ versorgt niedrigschwellig seit einer Ewigkeit die Kids mit antifaschistischer Grundausrüstung und Unterstützung und trägt damit dankenswerterweise zur kontinuierlichen Linksgrünversiffung unserer Jugend bei. Danke nochmal dafür. Nebenbei macht die Band auch noch Musik und so erschien am vergangenen Freitag ihr aktuelles Album „Ende der Welt.“ Anlass genug, ein bisschen mit Joshi über ihr Verhältnis zu ihren häufig deutlich jüngeren Fans, die eigenen Kinder, den auf den Album besingenen Tod von Joshis Mutter und die Zusammenarbeit mit Rapper Swiss zu reden. Die Corona-Frage handeln wir zum Glück recht früh ab.
Joshi, meines Wissens nach ist „Ende der Welt“ das erste ZSK-Album, welches während einer globalen Pandemie entstanden ist. Inwiefern hat dies den Entstehungsprozess beeinflusst?
Zumindest der Titel stand schon vor Corona fest. Wir haben auch schon alle Demos vorher eingespielt. Das Virus hat uns dann aber die gesamte Album-Planung zerschossen. Eigentlich wollten wir das Album im März ankündigen, es im August rausbringen. Vorher noch auf Japan-Tournee gehen und auf dem Festivalsommer Geld verdienen, um das Studio zu bezahlen (lacht). Im Herbst hätten wir dann die Tour zum Album gemacht. Ein paar Stunden bevor wir eigentlich Tour und Album bekannt geben wollten, haben wir alles abgesagt.
Andererseits konnten wir aber so länger am Album arbeiten und mehr Songs einspielen, die sonst vielleicht nicht auf die Platte gekommen wären. Wir sind dann unter Corona-Bedingungen ins Studio gegangen. Das heißt: Unsere Gastmusiker 100 Kilo Herz und Swiss konnten nicht mitkommen. Seine Parts musste jeder bei sich machen. Auch wir haben viel zuhause statt im Studio eingespielt, was ja heutzutage zum Glück ganz gut geht. War schon verrückt.
Trotz des apokalyptischen Titels ist es trotzdem, wie ich finde, deutlich leichter und positiver geworden als „Hallo Hoffnung“ von 2018. War Album bewusst dem Zeitgeist angepasst?
Man muss zum Cover und dem Titel immer die Rückseite dazu sehen. Das Flugzeug ist die Welt, die abstürzt. Wenn du Nachrichten schaust, denkst du, dass seit zwei drei Jahren alles auf so vielen Ebenen abfuckt. USA, AfD, dies das… Auf der Rückseite des Albums ist aber eine Palette mit Kisten und wichtigen Sachen für die Menschheit, die im letzten Moment noch mit dem Fallschirm abgeworfen und die sicher auf der Erde angekommen. Da sind Symbole von verschiedenen Initiativen, wie zum Beispiel Ende Gelände und all die positiven politischen Sachen, die gerettet werden. Und das ist ja auch meine Ansicht der Welt: Klar denke ich oft daran, was das für ein Haufen Scheiße ist. Gleichzeitig finde ich, dass man auf die Leute schauen muss, die sich damit nicht abfinden, sondern die positiven Sachen anschauen. Und es passiert viel Positives. Man muss es nur auch sehen. Die BlackLivesMatter-Bewegung ist beispielsweise irre gut. Ein Wahnsinn, was da in den USA losgetreten wurde. Auch Ende Gelände finde ich beeindruckend und cool und die Fridays for Future-Kids finde ich total motivierend genau wie Greta Thunberg, die den Politikern in den Arsch tritt. Und natürlich die ganzen Antifa-Gruppen, die seit 30 Jahren in ihren Orten die Recherche und Demos machen und wo immer noch neue Leute nachkommen. Wenn man das alles sieht, denke ich mir, dass da doch auch ganz viele tolle Sachen passieren. Das spiegelt sich in unserer Musik halt wider. Nicht an der Welt verzweifeln, sondern jetzt erst recht Support für die Leute, die versuchen, etwas Gutes zu tun. Das ist die Idee dahinter.
Aber wir haben tatsächlich kurz überlegt, ob wir den Titel ändern müssen. Am Anfang war ja noch gar nicht klar war, wie es weitergeht. In Italien starben damals täglich enorm viele Menschen. Wenn wir eventuell hunderttausende von Toten auch in Deutschland zu beklagen hätten und jeder jemanden kennt, der oder die gestorben ist, kannst du ein Album nicht „Ende der Welt“ nennen. Wir dachten uns dann aber, dass Corona die Kunst nicht einschränken und wir uns von einem Virus vorschreiben lassen müssen, wie unser Album heißt. Und dann haben wir es einfach gemacht.
2004 hieß ein Lied noch „We are the Kids”, inzwischen besingt ihr eher die Kids. Ist das Album auch schon ein bisschen ein Alterswerk?
Nö, man muss unabhängig vom Alter die Gefühlslage und Lebenswelt von jüngeren Menschen verstehen können. Ich muss sagen, dass ich mich prima in die 16-, 17-, 18-Jährigen hineinversetzten kann. Ich weiß noch sehr gut, wie das bei mir war, als man die Musik entdeckt hat und auch so wahnsinnig wütend war. Und ich muss auch sagen: Ich glaube ich habe sehr viel von diesen jungen Jahren in der Punkszene immer noch in mir. Ich fühle mich dem nicht entfremdet. Sonst könnte ich auch die Konzerte und viele der Texte, so wie wir sie scheiben, nicht mehr machen. Ich könnte mir auch sagen: „Alter, du bist nicht mehr 16. Wie lächerlich ist es, dass du bei jedem Konzert Stagediven und eine Show abziehen musst, als wärst du noch ein Teenager?“ Ich fühle mich damit ganz wohl und habe auch nicht das Gefühl einer verzweifelten Boyband, die sich Caps aufsetzen, um jünger zu wirken. Ich verstehe, in welcher Lebenslage die Kids sind und deshalb komme ich auch gut zurecht, da Texte zu schreiben, von denen ich nicht krass weit weg bin. Ich denke nicht darüber nach, dass ich die bedienen müsste, sondern ich fühle mit den Kids mit. Mit ein bisschen Abstand, aber eben nicht so viel.
Ich beantworte ja auch jede Fanpost an uns. Es schreiben uns wahnsinnig viele Kids mit teilweise den absurdesten Fragen oder ganz banale Sachen. Da merke ich einfach, in was für einer Welt die sich bewegen. Ich weiß selber noch, wie ich den Toten Hosen und anderen Bands, die ich geil fand, damals Briefe geschrieben habe. Letztens hat mir eine Mutter geschrieben, die selbst Punk war und deren Sohn das jetzt auch ist. Aber er würde gerade die Schule verkacken und sie hätte Sorge, dass er jetzt aus der Schule fliegt und sich den Lebensweg verbaut. Sie hat mich gebeten, ob ich dem schreiben kann. Ich dachte mir, ich kann dem doch jetzt nicht schreiben, er solle die Schule fertig machen. Andererseits: hätte ich die Schule wegen Punk nicht fertig gemacht, wäre das auch nicht so toll gewesen. Da habe ich ihm angeboten, er solle die zwei Jahre Schule noch fertig machen und wir schicken ihm unser neues Album vorab und unterschreiben, sobald es aus dem Presswerk kommt. Das hat er zugesagt. Die Mutter hat sich dann ganz süß bedankt.
Oder viele Kids schreiben mich an, weil ihre Eltern sie nicht aufs Konzert lassen. Ich lasse mir dann immer die Telefonnummer der Eltern schicken, rufe die an und biete ihnen an, die auf die Gästeliste zu schreiben und es sich mal anzuschauen. Wenn die es blöd finden, müssen sie nie wiederkommen. Das klappt auch. Fast immer schreiben die mir danach und bedanken sich, wie toll das Konzert war.
Andere Fans schreiben mir, ihre Mutter sei gestorben und sie hätten bei der Beerdigung ein Lied von uns gespielt oder dass sie versucht haben, sich umzubringen und ein Lied von uns dafür gesorgt hat, dass sie es nicht tun. Solche herzzerreißenden Sachen. Sowas kommt halt auch. Und deshalb bin ich auch nicht so weit weg.
Hängt es damit zusammen, dass du auch selbst Kinder hast?
Nee, die sind noch zu klein. Die sind zwischen einem und sieben Jahren alt. Aber die kommen auch mit auf Festivals.
Und wie finden die Papa auf der Bühne?
Großartig. Die stehen daneben und freuen sich sehr. Manchmal muss man sie festhalten, weil die sonst auf die Bühne rennen wollen. Meistl haben wir extra eine Babysitterin dabei. Wir waren zum Beispiel mit allen drei Kindern beim Open Flair auf der Bühne vor 20.000 Leuten und die finden das super. Das sind alles Mädchen und ich finde es auch gut, wenn die in so einer Musikwelt aufwachsen und das von Klein auf kennenlernen. Wir haben auch beim letzten Konzert in Berlin Nachmittags ein Kinderkonzert gespielt, weil wir inzwischen in der Band und auch im Freundeskreis so viele Kindern haben. Da haben wir im Astra-Club eine ganz normale Show mit normaler Lautstärke gespielt für 35 Kinder. Das war genial. Die hatten natürlich alle Ohrenschützer auf.
Viele der Kids bei Fridays for Future und anderen Jugendbewegungen sind aber keine Punker mehr. Die Dominanz von Punk in der Linken als hegemoniale Kultur hat doch stark abgenommen. Erreicht ihr überhaupt noch genug Kids mit Punk?
Ich prangere das auf jeden Fall an. 19 von 20 Leuten, die ich kenne und die heute Antifa- oder sonstige Politarbeit machen, sind alle über Punk sozialisiert worden. Aber heute ist Punk einfach keine große Jugendbewegung und nicht mehr der geile rebellische Kram wie früher. Gleichzeitig gibt es nicht mehr dieses klassische Bedürfnis, sich einer Jugendkultur zugehörig fühlen zu müssen, zumindest nicht mehr in großem Ausmaß. Die Kids heutzutage ticken anders. Früher war in der Schule klar, wer die Punks, die Metaller, die Technoleute und vielleicht noch die Popper sind. Die Zugehörigkeit war ganz wichtig und man blieb auch dabei. Man hat sich dem richtig verschrieben. Man hat dann nicht ein Jahr mal etwas anderes gehört, sondern sich richtig reingekniet. Heutzutage legen sich Jugendliche musikalisch nicht mehr fest. Du hörst Punk, dann Hiphop und Abends gehst du zum Deichkindkonzert. Das sieht man auch bei Festival-Lineups. Schau dir mal die Lineups beim Hurricane oder Rock am Ring an. Da sieht man, dass alles mitgenommen wird, was Party und was geil ist. Es spielen die Toten Hosen, danach Scooter und dann legt Sven Väth auf, später spielen Feine Sahne Fischfilet und zu allem kann man saufen und feiern. Das klingt jetzt ein bisschen, als würde Opa vom Krieg erzählen, aber es ist schon verrückt. Damals waren das Rockfestivals und wenn du keinen Rock n Roll gemacht hast, hast du ne Flasche an den Kopf bekommen. Ich weiß noch, wie damals bei der WarpedTour Ice T gespielt hat und alle waren stinksauer. Alle haben sich gefragt, wie so ein waffenverherrlichendes Arschloch, was so eine Scheißmusik macht, da auftreten kann. Der wurde mit Sachen beworfen. Im Nachhinein würde ich es für too much halten. Ich habe auch nichts geworfen (lacht).
Soweit ich weiß, liest Ice T das Plastic Bomb nicht. Du könntest das also ruhig zugeben.
Ich hab nix geworfen. Ich schwöre! Ich find ihn ja auch gut. Er twittert derzeit echt schlaue Sachen zur Zeit. Egal, aber Musikkonsum ist heute komplett anders. Man darf aber nicht so tun, als wäre früher alles besser, sondern muss damit umgehen. Bei uns sind die ersten zehn Reihen voll mit 16 bis 20-Jährigen. Die kommen immer nach, die Älteren stellen sich weiter nach hinten und die Shows werden immer größer. Aber wir haben immer wieder junge Leute. Das finde ich sehr beruhigend und ich glaube, ich würde sonst auch irgendwann aufhören, weil es mir unangenehm wäre, wenn man irgendwann keine neuen Fans gewinnen könnte. Aber wir sind schon für viele von den Kids ein krasser Soundtrack. Die schreiben uns auch, wenn die im Dannenröder Wald in ihrem Baumhaus sind und unsere Musik hören oder wenn auf dem Lauti ein Lied von uns läuft. Aber klar: Wenn du jetzt 100 Fridays for Future-Kids nimmst, hören davon vielleicht noch 10 oder 20 davon regelmäßig Punk.
Was würdest eigentlich machen, wenn deine eigenen Kinder sich in eine ganz andere politische Richtung entwickeln würden? Sagen wir mal Junge Union aufwärts.
Dann wird am Ohrfeigenbaum gerüttelt! Nein, Quatsch. Aber schwierig… Boah, jetzt kann ich nicht mehr ruhig schlafen. Man muss präventiv handeln. Ich habe aber auch keinen Bock, denen das aufzudrängen. Wir hören jetzt nie groß Punk zusammen oder so. Und wenn wir mit der Band was machen können die mit, wenn sie Bock haben. Wenn sie keinen Bock haben, bleiben die eben zuhause. Aber ich rede schon mit den Kindern über Politik, wenn es sich ergibt. Letztens haben wir ein Plakat mit den Opfern von Hanau gesehen und meine Tochter wollte wissen wer das ist. Da musste ich das einer Siebenjährigen erklären, dass diese menschen von einem Nazischwein erschossen wurden, aber die versteht das auch. Natürlich ist es schwierig einem Kind zu erklären, was Nazis sind. Inzwischen haben die das aber verstanden, dass es Leute sind, für die andere Menschen nichts wert sind. Die beste Freundin meiner Tochter hat eine dunkle Hautfarbe und als ich ihr das erklärt habe, hat sie gemerkt, dass Nazis ihre beste Freundin blöd finden würden. So funktioniert das. Wenn man das nicht mit dem Vorschlaghammer erklärt, sondern wenn die selbst fragen, kommt man schon auf den richtigen Trichter.
Bei einem Song auf eurem neuen Album sind mir echt kurz die Augen feucht geworden. Ich meine dieses Lied „Stuttgart“ über den Tod deiner Mutter. Derart persönlich seid ihr nie bisher geworden und dein Privatleben hälst du da aus Warum habt ihr damit erstmalig gebrochen?
Eigentlich spreche ich auch nicht so gern über private Sachen, außer sie haben etwas mit Politik zu tun. Ich frage mich, wen das überhaupt interessiert. Man überhöht sich dann auch immer selbst. Warum soll es irgendwen interessieren, wohin ich in den Urlaub gefahren bin oder wie ich mich gerade fühle? Ich bin ja nicht irgendein Influencer. Ich möchte lieber, dass wir als Band, aber nicht als Persönlichkeit wahrgenommen werden. Ich bin auch nicht so ein guter Geschichtenerzähler. Das passt nicht.
In dem konkreten Fall, der 2016 passiert ist, ist alles in dem Lied wirklich so geschehen. Während des Soundchecks lag meine Mutter in Göttingen im Sterben. Sie war bereits länger krank. Während die Vorband spielte, etwa eine halbe Stunde, bevor wir auftreten sollten, kam der Anruf, dass meine Mutter gestorben ist. Der erste Gedanke war natürlich, dass wir das Konzert abzusagen. Band und Crew haben mir natürlich alle versichert, dass das kein Problem ist und die Leute das verstehen werden. Der zweite Gedanke war, dass das jetzt aber auch nichts bringt. Meine Eltern haben uns immer stark mit der Band unterstützt, obwohl das für die teilweise auch echt schwierig war. Sie hätte bestimmt auch gewollt, dass wir die Show spielen. Ein Konzertabbruch hätte meiner Mutter auch nicht mehr geholfen. Dann haben wir das Konzert gespielt und das ging auch irgendwie in so einem Tunnel-Modus. Wir haben aber auch bewusst keine Zugabe gespielt. Wenn man nochmal hinter der Bühne ist, sammelt man sich ja kurz und das wollte ich nicht. Also sind wir runter von der Bühne und sofort in einen Mietwagen, den unser Tourmanager schnell besorgt hat. Ich bin durch das Fenster geklettert, weil ich sonst an allen möglichen Leuten noch hätte vorbeilaufen müssen. Dann sind wir die ganze Nacht zusammen nach Göttingen gefahren. Und da merkte man erstmal so, wie gut es ist, mit der Band Spaß zu haben. Aber in der Situation habe ich gemerkt, dass ich wirklich richtige Freunde an meiner Seite habe.
Ein paar Jahre lang wollte ich die Geschichte eigentlich nicht erzählen, außer meinen besten Freunden. Jetzt mit vier Jahren Abstand war es mir eher ein Bedürfnis, dass zu erzählen. Aber das brauchte Zeit.
Der Übergang ist ein bisschen schwierig jetzt, aber um wen geht es eigentlich in eurem Song „Kein Talent“, wo ihr hart mit Musiker-Kolleg*innen ins Gericht geht? Ich will jetzt Namen!!
Das ist ein Mix aus allem, was uns in den letzten Jahren von vollgekoksten Trotteln aus dem Musikbusiness erzählt wurde. Was wir uns da alles angehört haben… Immer mal wieder kommt jemand und sagt, wir sollen ihm unsere stärksten zwei Songs geben und er bringt uns ganz groß raus. Das meinte so ein Typ mal nach einem Konzert zu uns. Er sei Produzent (lacht). Wir kennen das schon und haben ihn gefragt, was er denn schon so produziert hat. Er sagte, er hätte „zwei Goldene“ produziert, aber dürfe nicht sagen, für welche Bands (lacht). Wir haben ihm gesagt, er solle uns seine Visitenkarte geben. Er hatte aber keine und uns seine Handynummer auf einem Bierdeckel mitgegeben. Wir haben dann noch Swiss gefragt, ob er nicht auch ein Feature in dem Lied singen kann und unseren Manager spielen möchte. Swiss ist echt ein verrückter Typ.
Apropos Swiss: Der ist ja auch nicht ganz unumstritten. Ihm wird ja auch wegen einiger Texte Sexismus vorgeworfen. Habt ihr darüber intern vor der Zusammenarbeit mal diskutiert?
Nein, wir kennen ihn schon seit vielen Jahre und wenn man die Maßstäbe der Vorwürfe anlegt, könnten wir mit vielen nicht mehr zusammenarbeiten. Schau dir die Texte der Toten Hosen oder der Ärzte oder tausend anderer Punkbands an…
…das ist aber wiederum 30 Jahre her. Swiss ist ja aktueller und die Ärzte spielen beispielsweise das Lied über die „fette Elke“ bewusst nicht mehr.
Das müssen die Leute aber mit ihm ausmachen. Wir finden nicht, dass wir die Zusammenarbeit canceln müssen oder ihm die Freundschaft kündigen müssen.
Insgesamt wird in den letzten Jahren auch innerhalb der Punkszene wieder verstärkt die Präsenz von Frauen und auch Sexismus diskutiert. Feminismus ist bei euch trotz eures linken Anspruchs aber dennoch eine Leerstelle, oder?
Natürlich ist das ein Thema, welches uns beschäftigt und welches ich auch wichtig finde. Ich fühle mich aber als Mann nicht so wohl, mich da als Sprachrohr aufzuschwingen. Ich habe das Gefühl, dass diese Rolle uns nicht zusteht. Diese Rolle müssen Frauen übernehmen, deren Stimmen man stärker machen muss. Ich hätte Probleme, als Mann all meinen Hörern zu erklären, wie Frauen unterdrückt werden, um das mal ganz blöd zu sagen. Aber natürlich sprechen wir in der Band auch darüber. Und ich finde auch, dass es viel zu wenige Frauen im Musikbusiness gibt und wir versuchen zumindest, bei unserer Crew ein Verhältnis von 50:50 hinzubekommen. Wir haben eine Lichttechnikerin, wir haben eine Merchandiserin. Bei den Menschen, die Video- und Fotodokumentation bei unseren Touren machen, ist auch häufig eine Frau dabei. Das ist vielleicht auch lächerlich, aber der kleine Beitrag, den wir leisten können. Was wir jetzt viel stärker angehen wollen, ist gezielt Frauenbands mit auf Tour zu nehmen. Das Problem ist aber faktisch, dass es irrsinnig wenige gibt. Bei unserer ausgefallenen Japantour hätten uns jetzt die rein weiblich besetzten Yellow Machinegun mitgenommen und im Gegenzug hätten wir sie auch für die Deutschlandtournee hierher geholt, was schon eine bewusste Entscheidung war. Wir hätten auch mit 20 anderen Bands in Japan was machen können, uns aber eben bewusst für Yellow Machinegun entschieden. Und das wollen wir jetzt auch weitermachen, insofern das geht.
Abschließend möchte ich noch wissen, was bei eurem Herzensprojekt „Kein Bock auf Nazis“ gerade so abgeht?
Ich sag mal so: Der Festival- und Konzertsommer lief dieses Jahr für die Kampagne überschaubar (lacht). Wir bereiten gerade alles für die Bundestagswahl vor. Vorher ist ja noch Wahl in Thüringen, Baden-Württemberg und Sachsen-Anhalt. Das ist der Testballon und da wollen wir lokale Gruppen mit Material unterstützen. Wir überlegen auch noch, Plakatwände zu mieten. Für die Bundestagwahl wollen wir gezielt die Kids zu mobilisieren, die noch nicht organisiert sind mit 1000 kostenlosen-Polit-Starterkits und natürlich auch die klassischen Politgruppen zu unterstützen.
Interview von Philipp
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