Wenn der Punkopa erzählt
„Alles verkauft, hundertausend Mark weg Elfriede, ich war spielsüchtig, spielsüchtig, spielsüchtig.“ [Funny van Dannen]
„Fleisch ist mein Gemüse“ ist einer meiner Lieblingsromane. Den lese ich alle paar Jahre wieder aufs Neue. Ich mag die Stellen, in denen es um Spielautomaten geht. Heinz beim Griechen am Spielautomat. Heinz im traurigen Hotel am Spielautomat. Heinz einsam in der Spielhalle in Hamburg-Harburg.
„Drei-Groschen-Glück am Rotamint“ [Floh de Cologne]
Spielhallen waren mir nie fremd, denn früher standen da noch Flipper. Ich glaubte nicht an „It’s more fun to compete“ und in den Kneipen war der Flipper oft dauerbesetzt. Die Spielhalle dagegen garantierte ungestörten Spielspaß über Stunden. Und es war dort exakt so, wie von Heinz Strunk beschrieben. Rentner mit Einkaufstüten und hagere, meist kettenrauchende Männer belagerten die Geldspielgeräte, legten regelmäßig Münzen nach, starrten auf die Drehscheiben und warteten auf die fünf Gewinner-Sonnen. Als Beobachter aus der Flipper-Zone fand ich die skurrile Tristesse damals amüsant.
Serways und Sanifair
Jahrelang verbrachte ich jobbedingt viel Zeit auf Autobahnen. Immer gefangen im Kaffee-Pinkelpause-Kaffee-Pinkelpause-Teufelskreis. Also blinken und an der Raststätte raus. Anfangs ignorierte ich souverän die in der Ecke stehenden Geldspielgeräte der neuen Generation, die sich schneller als Kaninchen vermehrten. Irgendwann kam der „Warum eigentlich nicht?“ – Moment und mein Kleingeld wanderte in den Automaten. Ein wenig die Zeit vertreiben, auf die virtuellen Walzen starren und die Chance auf unverhofftes Bargeld. Eine schöne Mischung aus Spannung und Entspannung … ich hing am Haken. Ein schleichender Prozess: Seltsam steigender Kaffeedurst und wieso hatte ich unterwegs neuerdings immer soviel Münzgeld bei mir? Mit stark erhöhter Frequenz: Blinken und an der Raststätte raus, die „Kaffeepausen“ wurden länger und immer öfter verließ ich den Ort ohne Kleingeld wieder. Auf irgendeinem Rastplatz sprach dann ein Fremder diese Worte zu mir: „Die Dinger hier schmeißen doch eh nix. In der Spielhalle gibt’s was zu holen.“ Natürlich wollte ich ihm nur zu gerne glauben.
„Turbobuchen möglich“ [Der Automat]
Hallo Spielhalle, da bin ich wieder. Es gab Veränderungen während meiner Abwesenheit. Viel mehr Frauen als früher. Auffällig viele Rentnerinnen. Die Alibi-Einkaufstüte ist ausgestorben, nur ich habe eine mitgebracht. Und waren die Dinger am Monatsletzten früher auch schon immer so voll?
„Turbo“ ist das neue Motto. „Drei-Groschen-Glück“ war letztes Jahrtausend. Da hatte man noch die Zeit, sich wesentlich langsamer zu ruinieren. Jetzt können locker 1.000 € und mehr in ein paar Stunden versenkt werden. Ich sehe Menschen, die das durch das Bedienen von mehreren Geräten problemlos schaffen. Nicht gut.
Ich Schlauberger mache mich trotzdem regelmäßig ans Werk, denn ich werde mit einer ganzen Palette unterschiedlichster Gefühlsregungen belohnt. Trance: Der erste Geldschein verschwindet im Schlitz und ich bin sofort raus aus der realen Welt. Angenehm stumpfes Starren auf den Bildschirm. Freudige Erwartung: Heute werde ich gewinnen. Bestimmt. Freudige Erregung: Die Serie läuft ein. Ich gewinne tatsächlich. Ernüchterung: Wärst du bei 70 € auf der Uhr mal ausgestiegen. Jetzt ist die Kohle wieder weg. Selbthass: Natürlich weiß ich, wie abgrundtief bescheuert mein Tun ist, aber ich bin übermorgen wieder hier. Was stimmt nicht mit mir? Selbstbetrug: Ich habe das locker im Griff. Die anderen Honks haben ein ernsthaftes Problem. Morgen hole ich mein Geld zurück, dann ist für immer Schluss. Eigentlich bin ich ja nur als Ethnologe hier. Bonus: Es wird nicht viel geredet. Ab und an ein „Du dumme Sau“ in Richtung Automat. Ansonsten gehen wir hier schweigend unserem Werk nach.
„Wir leben in einer durch und durch süchtigen Gesellschaft.“ [Ein Arzt auf dem Zauberberg]
Punkopa, verstanden, eine fremde und seltsame Welt, in der ich nicht leben will, aber wo bleibt der Punkbezug? Okay, gäbe es ein Spiel, bei dem statt der üblichen drei Stiere, drei Pferde, drei Joker … die Serie mit jeweils einem Sid auf der linken, der mittleren und der rechten Walze verbunden mit einem „Pogo“ auf der Tonspur ausgelöst würde, wäre das sicherlich meine erste Spielwahl. Gibt es aber nicht. Ende des Punkbezugs. Stattdessen widme ich die Schlußworte der Selbstzerstörung. Da bin ich noch nicht. Doch es ist nur ein kurzer Weg zu einem Haus voll Lügen, dem Verlust von Menschen die ich liebe und ernsthaften finanziellen Problemen. Das will ich nicht. Und ich dachte mir, Öffentlichkeit könnte vielleicht helfen, diesen Dämon zu vertreiben. Vielen Dank.