Wenn der Punkopa erzählt
Dream on little dreamer dreamer on!
Aus Gründen nahm ich letztens an einem Treffen der wirklich wichtigen Menschen meiner Heimatstadt teil. Es ging um den Standort und wie er attraktiver zu gestalten wäre, damit die zahlungskräftigen Kunden in die Stadt strömen, statt das Internet leerzukaufen. Sogar der Bürgermeister war da.
Auftritt des alerten Anzugträgers. Head of irgendwas mit Marketing. Phänotyp: Modernes Management. Er trägt also einen lässigen Anzug und federt während seines Vortrags locker-flockig hin und her. Den Gang hat er im „Menschen begeistern“ – Seminar gelernt. Es geht um Kultur. Die wird immer wichtiger, wenn es um den Standort geht. AA schaltet auf Nullsprech-Autopilot, „denkt Dinge neu“ und ventiliert ein paar „sexy Ideen“. Kreative Kräfte, Freie Szene, Subkultur, Eventkultur, Kulturevents, Clubszene, lebendige Stadt, lebendige Szene, Kreativfabrik, Kulturquartier, Kulturkiez, Kulturkaufhaus, Szeneviertel, Standortvorteil, Standortvorteil, Standortvorteil. Eine Kulturexplosion!
Nur kosten darf der ganze Bums halt nix, denn die Stadtkassen sind leer. Die dufte Kultur hätte man gern zum Nulltarif. Gesucht werden kreative Kräfte mit Spaß an prekären Lebensumständen und einem ausgeprägten Willen zur Selbstausbeutung. Herzblut und Sendungsbewusstsein wären von Vorteil, sind aber keine Bedingungen.
Die routinierte Begeisterung von AA hat mich müde gemacht. „Ich bin ein Standortvorteil“ kreist es in meinem Kopf und ich gleite ab ins Heia Bubu Land.
Wir sitzen im Büro des Bürgermeisters und trinken Kaffee. Auch dieses Jahr hat der Bürgermeister nur gute Nachrichten für mich. Es ist noch mehr Geld im Topf. Zwei Stadtfeste wurden wegen zu hoher Bratwurstdichte ersatzlos gestrichen und auch die Autoausstellung in der Fuzo ist „wegen dem verkackten Autofetischismus, wie ich diese PS-Idioten hasse“ Geschichte. Der Bürgermeister überreicht den üppigen DIN A0 – Symbolscheck und wir lächeln für das Pressefoto. Wir sehen uns im nächsten Jahr wieder.
Jetzt die Liste abarbeiten. Die High End Sound- und Lichtanlagen der Clubs werden dieses Jahr noch ein wenig toller. Die Verträge mit dem Premium Catering und den guten Hotels verlängern. Wir dulden weder zerkochten Pamps noch Gemeinschaftsduschen auf dem Gang für unsere Gäste. Die Flipper für Backstage bestellen und die Lohnerhöhung für Thekenkräfte, Bühnentechniker und Türsteher ist fällig. Garantiegagen nochmals anheben und die Eintrittspreise auch 2020 unter 10 € halten. Pflichtprogramm erledigt.
Die Kür: Stone anrufen, die Finanzierung für das 3-tägige Festival des äthiopischen Jazz steht. Steve mailen, die Woche des obskuren Krachs aus aller Welt findet statt. Auch Andis Punkfestival im Landschaftspark ist gebongt. Selbst der Impro-Heini mit dem komischen Hut, dessen Namen ich immer vergesse, wird beglückt. Ich bin da tolerant.
Bleibt mein Stück vom Kuchen. Das ist nicht klein. Schließlich habe ich den ganzen Papierkram an der Backe und habe Belohnung verdient. Ich mache Doc Corbin Dart ein Angebot, das er nicht ablehnen kann und die Crucifucks fliegen für diesen einen Auftritt bei uns ein. Europapremiere! Auch Shellac sind endlich an Bord. Unsere neue Anlage hat Albini überzeugt.
Pünktlich Feierabend. Nur noch ein kurzer Gang zur Post. Der Vertrag mit Daniel Higgs ist fertig. Er wird ein Jahr unser Gast sein und das eine oder andere kuratieren. Daniel stellt auch einen Lungfish-Gig in Aussicht. Das wird natürlich klappen, denn das hier ist mein Traum.