Pro und Contra: Antilopen Gang – Abbruch Abbruch (CD, LP, Stream)
Anti-Lopen Review von Ronja:
Laut Promotext war es eines der großen Ziele der Bandmitglieder, von ihrer Kunst leben zu können.Das haben die 3 Jungs zwar offensichtlich geschafft, aber beim Hören der Texte erscheint mir der Preis dafür extrem hoch.
Nachdem das Debütalbum „Aversion“ 2014 der Band eine Startrampe gegeben hat und das zweite Album „Anarchie und Alltag“ sogar ein Charterfolg wurde, erscheint mir die Band nun komplett ausgebrannt, demoralisiert, ideenlos und teilweise schlichtweg depressiv.Klar muss man keine Partytexte schreiben und auch keinen Soundtrack für die Clubszene liefern, wenn einem nicht danach ist oder es nach eigener Ansicht keinen Grund zum Feiern gibt.
Aber mein Eindruck ist, dass der Erfolgsdruck ganz massiv auf den Textern lastet weil nun eben der Zeitpunkt gekommen war, ein neues Album mit neuen Texten zu liefern, um weiterhin von der eigenen Kunst die Miete zahlen zu können. Das Resultat sind unter Anderem uninspirierte Retrospektiven ohne echtes Fazit, wie zum Beispiel bei „2013“. Das Album kriecht den größten Teil der Spielzeit relativ gelangweilt vor sich hin. Bei „Smauldo“ nimmt die ganze Sache zwar endlich mal ein bisschen Fahrt auf, es gibt ein paar Seitenhiebe an engstirnige Spießer und Spinner, aber so wirklich Biss hat die Nummer auch nicht und verliert sich schnell wieder in der Belanglosigkeit.
„Der Ruf ist ruiniert“ ist ein unzusammenhängendes Selbstabgefeiere, das im Vorfeld zum Album noch mit einem langweiligen Go-Pro bzw Handyvideo promotet wurde. Fun-Fact an dieser Stelle: Es gibt in diesem Heft hier keine Werbeanzeige zum neuen Antilopen-Album, weil „das ganze Budget in die Produktion von Videos fließt“ so die Plattenfirma. Hm, die 5.- Euro hättet ihr bei uns sinnvoller anlegen können…
Einzig den „trenn dich“ Song kann ich halbwegs unterschreiben, ein Plädoyer dafür, nicht zum Selbstzweck an unglücklichen Beziehungen festzuhalten. Der traurige Tiefpunkt des Albums ist mit „Lied gegen Kiffer“ erreicht.
Einfach nur peinlich, wie eine Horde alt gewordener Stinos, die sich nur mit Grauen an ihre jugendlichen Missetaten erinnern können. Fast genau so nervig ist „keine Party“, da muss ich aber wenigstens an der Stelle lachen, wo der die Bullen geholt werden, um die Party in der eigenen Wohnung aufzulösen. Aber irgendwieklingt der Song auch nur wie eine Covernummer vom „Enkeltrick“. Musikalisch spricht mich das Album kaum an.
Die meisten Tracks klingen wie langweilige Aufgüsse der eigenen Songs oder schlecht recycelte Fler Beats. Mit „Wünsch dir was“ wird noch ein Hosen-Riff aufbereitet, was eigentlich eine gute Idee ist, aber da der Text so gar nichts transportiert, bleibt‘s auch hier bei nem hilflosen Versuch, die Erfolgsidee der „Anarchie und Alltag“ Scheibe nochmal neu aufleben zu lassen und mit den Federn Anderer herumzustolzieren.
Mein Fazit: Im besten Fall langweilig, an vielen Stellen peinlich, musikalisch uninspiriert, Stellenweise bemüht bis gequält und mit nur sehr wenigen geilen Ideen bzw Formulierungen angereichert. Wenn es das ist, was das Promoschreiben mit dem Ansatz der Band „Punk komplett neu zu erfinden und danach wieder zu beerdigen“ meint, muss ich sagen, dass es im Zweifelsfall besser gewesen wäre, noch ein bisschen mehr bei Anderen zu klauen, wenn man schon nichts eigenes Geiles hinkriegt. „Aversion“ war frisch und außergewöhnlich, „Anarchie und Alltag“ hatte den Promifaktor und ein paar echt gute Ideen aber „Abbruch Abbruch“ ist langweilig, irrelevant und nichtssagend.
Pro-Lopen-Review von Philipp
Ich muss zugeben, dass mich die Antilopen Gang mit „Anarchie und Alltag“ etwas verloren hat. Ein gegönnter Platz Eins in den Albumcharts, aber irgendwie zu unentschlossen zwischen selbstironischem Habitus, Psychobeichten und Spaßliedern für das angesoffene Festivalpublikum. Alles nicht so ganz rund und etwas ziellos. Viele Lieder waren für sich genommen gut, aber wenn auf den Seelenstriptease „Patientenkollektiv“ der heitere „Pizza“-Song folgte, war die Platte schwer durchhörbar. Die beigelegte Punk-Coverplatte habe ich zehnmal mehr gehört als das eigentliche Album.
Und mit dementsprechenden Erwartungen hörte ich dann auch in das neue Album „Abbruch Abbruch“ hinein. Download-Link erhalten, geschenkter Gaul und so und freute mich auf einige Hits für die Playlist. Die Auskopplung „2013“, Opener des Albums und fast schon obligatorischer Rückblick-Song, wusste zu überzeugen. Die Gruppe blickt ja gern zurück, hadert immer gern mit ihrem kommerziellen Durchbruch 2014 und der nicht heilenden Wunde, dass das vierte Mitglied NMSZ den nicht mehr erleben durfte.
Schon damals orakelte ich mir zusammen, dass es sich um ein sehr gutes Album handeln wird, wenn das beibehalten wird. Und das wurde es. Die Antilopen Gang spielt auf „Abbruch Abbruch“ ihre größte Stärke vollends aus: Ihre Schwäche. Es geht um Trennungen, Hoffnungslosigkeiten, misslungene sexuelle Erfahrungen, Altern und Minderwertigkeitskomplexe. Auch die Beats nehmen sich sehr zurück und geben den Texten viel Raum.
Das hätte auch alles schwer in die Hose gehen können. Ist es aber nicht. Keiner dieser Songs gleitet ins Selbstmitleid ab, sondern bleibt nüchtern und reflektiert anhand der eigenen Unzulänglichkeiten. Songs, die aus diesem Muster fallen („Kiffer“, „Smauldo“ und „Roboter“) sind dann willkommene Unterbrechungen, damit man nicht völlig depressiv wird.
Angenehm fällt die Abwesenheit von Features auf. Dieser ganze Musiker*innen-Inzest des sich gegenseitig die Promomaschine anzukurbeln, indem man mal zwei Sätze in ein Lied reinsingt, ist in den letzten Jahren sowieso völlig ausgeartet. Gottseidank wird auf „Abbruch Abbruch“ darauf fast verzichtet, lediglich Luise Fuckface von den Crackhuren meldet sich kurz bei „Der Ruf ist ruiniert“ zu Wort, allerdings ohne groß genannt zu werden. Verzichtet wird auch auf Politik. Muss nicht schlecht sein.
Und noch etwas: Vielleicht ist es mein fast abgeschlossenes Germanistik-Studium (zwei Semester, ein Schein in Linguistik, dann abgebrochen!), aber ich mag es, wenn Lieder Geschichten erzählen. Das geht bei Rap aufgrund des höheren Sprachanteils meistens besser als im Punk. Ein Song wie „Abraxas“ gegen Ende des Albums über den tatsächlich stattgefundenen Selbstmord eines Kneipenwirtes funktioniert nur so.
„Abbruch Abbruch“ klingt in sich wesentlich schlüssiger und runder. Die Antilopen Gang emanzipiert sich damit weiter vom ewigen „Fick die Uni“-Brandmal als anti-intellektuelle Partyband. Bei „Anarchie und Alltag“ war man sich da noch nicht so einig. Wenn sich eine Band „weiterentwickelt“, muss das nicht immer was Gutes sein. In dem Fall ist es das.