HASS – „Macht kaputt, was längst kaputt ist“ CD/LP
Mit ihrer Gründung 1978 gelten HASS als eine der ersten deutschen Punkbands. Wenn so eine Band 42 Jahre nach ihrer Gründung noch einmal ein neues Album veröffentlicht, kann das durchaus als ein Ereignis betrachtet werden. Die Frage bleibt, ob es ein freudiges Ereignis ist, denn erfahrungsgemäß nehmen die Erwartungen an den musikalischen Output derartiger Bands nicht ab, während die Künstler*innen naturgemäß selbst sich immer schwerer tun, noch einmal an das schon fast sprichwörtliche „erste Album“ heranzukommen. Die Fallhöhe und so. Als Zuhörer*in kann man sich schwer davon lösen. Das ist im Punk nicht anders als in anderen Genres. Kein Mensch will die neuen Lieder hören, wenn er oder sie zu Roberto Blanco geht. Alle wollen immer nur „Ein bisschen Spaß muss sein.“
Ist also die Frage: Machen HASS mit ihrem neuen Album etwa kaputt, was längst kaputt ist (Badum Tss) oder schaffen Sie es noch einmal, die Kurve zu kriegen? Der erste Eindruck von HASS im August in Form des Videos zu „Zum Scheißen zu doof“ ließ schon einmal Schlimmes befürchten. Hier hampelt die Band unter Zuhilfenahme von Klobürstenmikros und Gesichtskirmes über einen Schrottplatz und erinnert an zurecht vergessenen 90er-Comedy-Deutschpunk HBWschen Ausmaßes. Selbst Fips Asmussen (R.I.P. in Peace) war wohl peinlich berührt und hat sich ein paar Tage später schnell für immer verabschiedet. Heieiei. Es passt alles überhaupt nicht zu HASS, die eigentlich immer eher gerade für komplette Humorlosigkeit im Deutschpunk standen und damit gut gefahren sind. Die bahnbrechende Analyse des Textes lautet: AfD-Wähler*innen sind doof. Aha. Nicht falsch, aber dank Akne Kid Joe ist die analytische Messlatte des deutschen Punks in Bezug auf AfD-Kritik doch deutlich höher gelegt worden.
Als Longplayer ist das Ganze schon wieder etwas runder. Musikalisch bietet „Macht kaputt, was längst kaputt ist“ in seinen schnelleren Stücken melodischen Rumpelpunk, der mich am ehesten noch an die Pestpocken erinnert. Anders als zahlreiche Kolleg*innen verweigert HASS sich dem Trend, durch Untermischung von Turbostaat- oder Feine Sahne-Elementen die eigene Musik etwas „moderner“ zu gestalten. So etwas geht meist in die Hose. Bei HASS lässt man so einen Unsinn gleich und konzentriert sich darauf, was man kann und was man von einem HASS-Album seit Jahrzehnten erwartet. Geht gewohnt gut nach vorne und hat noch etwas mehr Wumms als der Vorgänger „Kacktus“ von 2014.
Textlich ist „Macht kaputt, was längst kaputt ist“ durchwachsen. Die meisten Deutschpunk-Themen werden pflichtbewusst abgearbeitet: Krieg, Faschismus, Kirche, Umweltzerstörung, Konsum und in Amerika knallen sich immer noch alle gegenseitig ab. Soweit so bekannt. Ist auch zu entschuldigen, weil diese Nische wenig Platz für Innovationen lässt, wenn man kein Genie der Marke Claus Lüer ist. Und so falsch liegt man ja meist auch nicht. Einige textliche Peinlichkeiten gibt es aber auch: In „Die Wahrheit“ wird von einem manipulativen „Mediensumpf“ geraunt, der leider eine fragwürdige Nähe zum „Lügenpresse“-Begriff hat und an Kreise anschlussfähig ist, in die HASS definitiv nicht gehören. Und ob man als Typ einer Frau „Du verdammtest Miststück“ ins Gesicht brüllen sollte, weil sie einen Pelz trägt, weiß ich auch nicht. Und bei „Gangbang“ geht es darum, wie sehr man als Hartz IV-Bezieher*in aufm Amt gefickt wird. Höhö. Positiv hingegen ist mir „Geister ohne Schatten“ aufgefallen, welches etwas an „Die Anderen“ von Rasta Knast erinnert und jene besingt, die sonst niemand beachtet. Ich mag so komprimierte Sozialstudien. Musikalisch gefällt mir die flotte Pogo-Nummer „Mama, was macht der Panzer vor der Tür“ am besten.
Alles in allem ist „Macht kaputt, was längst kaputt ist“ ein solides und handwerklich gut gemachtes HASS-Album ohne große Überraschungen und Ausschläge nach oben oder nach unten. HASS verteidigen mit diesem Album 2020 ihre Position irgendwo im Mittelfeld des Deutschpunk-Establishments.
Philipp
Reklame: Das gute Stück kann man jetzt schon als CD und als schwarze LP im Plastic Bomb Shop im Tausch gegen Geld bekommen. Farbige Vinyls dauert noch etwas. Uns ist beim ansprühen der schwarzen LPs die Farbe ausgegangen und wir müssen erst wieder in den Baumarkt. Ihr könnt aber jetzt schon vorbestellen.