Razzia – Am Rande von Berlin – Rezension
Razzia – Am Rande von Berlin (CD-Digipak) Rezension von Ronja, erscheint als 2xLP und CD bei Major Label.
Ein neues Razzia-Album ist raus, halleluja. Eine Band, die nach diversen Besetzungswechseln, Enthaltsamkeitsphasen und einem gelungenen Comeback vor ein paar Jahren nun nochmal ganz neue Songs rausgehauen hat.
Bei derlei Veröffentlichungen gibt es erfahrungsgemäß eine 50/50 Chance auf ein großartiges Album, auf dem die Band sich nochmal neu erfindet bzw sich auf einen aktuellen Stand bringt und dabei trotzdem an ihren Wurzeln festhält, oder einer totalen Pleite, bei dem sich die Band entweder selbst covert, oder beweist, dass sie keine Ahnung mehr von Punkrock hat.
Razzia kriegen das glücklicherweise ganz hervorragend hin. Die Songstrukturen sind fein ausgearbeitet, ohne überladen zu wirken. Die Riffs haben genug Punkrock, um an alte Erfolge anzuknüpfen und die kleinen Experimente und Ausflüge, die in die Songs eingebaut wurden, verfälschen das Ergebnis nicht, bzw tun dem Punkfaktor keinen Abbruch.
Die Produktion ist glatt und professionell, aber die Songs sind nicht zu Tode geglättet.
Vor allem aber ist Rajas‘ Stimme in Topform. Schön roh, schön kratzig und trotzdem auf dem Punkt.
Aus der eigenen Biographie knüpft das Album am ehesten an „Menschen zu Wasser“ und „Spuren“ an. Mit dem ein oder anderen Song („Lauf, Junge lauf“ und „Liebe Grüße aus dem Rotweingürtel“) auch an die „Ausflug mit Franziska“.
Was mir an dem Album nicht so gut gefällt, ist ein bisschen die Geschwindigkeit und die Spieldauer. Die meisten Songs sind mit 3 bis 5 Minuten meiner Meinung nach einfach zu lang. Songs wie „Nicht in meinem Namen“ oder „Wer die Märchenstunde stört“ sind vor allem vom Text, als auch von den Riffs und dem Arrangement her der absolute Hammer, wären aber mit knackigen 2 bis 3 Minuten einfach bessere Reißer geworden, ohne sich selbst den Raum für die Akkorde zu nehmen. Ein Vers oder eine Wiederholung weniger wären angemessen gewesen. Ich finde auch die Idee, nach einem (auch etwas zu langen) Intro einen ruhigen Song folgend zu lassen, nicht sooo gelungen.
Ich denke, wenn man die 14 Songs mit weit über 1 Stunde Spielzeit auf 2/3 zusammen gestrichen hätte und all die genialen Ideen in eine etwas komprimiertere Version gesteckt hätte, hätten wir hier das absolute Über-Album vorliegen!
Ich kann die Scheibe wirklich gut durchhören und freue mich unglaublich über so ein geniales Spätwerk. Aber beim ein oder anderen Song bin ich nach der X-ten Wiederholung innerhalb eines Songs doch immer wieder versucht, auf die Skip-Taste des CD-Players zu drücken.
Textlich sind die Songs übrigens wirklich genial. Kritisch aber ohne Parolen. Nachdenklich, ohne sich zu verzetteln und früher oder später findet sich vermutlich jede_r selbst darin wieder.
Das Cover ist in meinen Augen leider eine absolute Katastrophe, da kann ich mir echt nicht helfen. Mit solchen Covern verkauft man meiner Erfahrung nach am Plattenstand 10% weniger und hat beim Auflegen am heimischen Plattenspieler 10 % weniger Freude am Album.
Beim durchblättern des CD-Booklets packt mich auch nicht grade der Wunsch, mir jede Seite als Poster ausdrucken zu lassen. Wenn man bedenkt, wie viel Arbeit und Geschmackssicherheit in den Aufnahmen steckt, hätte man an die optische Ausarbeitung vielleicht auch jemanden dran lassen können, die/der etwas mehr Stilsicherheit vorweisen kann.
Aber wie gesagt, ich finde das Album schon sehr gelungen und schlichtweg „relevant“, zwar nichts für die Aftershowparty, aber das trifft ja auf die wenigsten Songs aus der Razzia-Biograpie zu.
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