Pestpocken-Interview aus der Plastic Bomb #100
Jünger werden wir alle nicht, aber dass die Pestpocken, der große, alte Vergnügungsdampfer des Rumpelpunk, nun auch schon seit 20 Jahren durch die morastigen AZ-Gewässer schippert, macht nachdenklich.
Irgendwann Anfang der Nullerjahre konnte ich die mopsfidelen Hessen in der Fabrik Duisburg zum ersten Mal performen sehen und auch hören! Neben dem Auftritt der Pestpocken, die mich noch am selben Abend zu einem nie bereuten Impulsivkauf animierten (Kassette „Gießen Asozial.“ Produkt wie beschrieben, schnelle Lieferung! Toller eBayer! Gerne wieder!), habe ich an dem Abend noch die bereits gegen 19.30 Uhr rotzevolle Punklegende Bochum-Kai kennengelernt (er mich allerdings aufgrund seines Zustandes nicht). Inzwischen macht er Technopartys.
Die Fabrik Duisburg gibt es nicht mehr. Wahrscheinlich sind dort, wo früher allabendlich „der Punk abging“ längt von russischen Milliardärstöchtern aufgekaufte Luxus-Appartments im vollkommen durchgentrifizierten Duisburg-Neudorf entstanden. Nachdem da so Kulttypen wie der Krebber ins Viertel hingezogen sind, ging nämlich alles ganz schnell. Aber ich schweife ab.
Nach dem Konzert wird mir schwarz vor Augen. Nach etwa 15 Jahren wache ich in einem sterilen Krankenzimmer aus dem Koma auf – vor mir ein Laptop und auf dem Bildschirm vier der fünf Pestpocken, die begierig auf ein Interview warten. Einzig Gitarrist Eddy möchte nicht ins Bild, äußert seine raren Kommentare aus dem Off. Ähnlich wie die späte Hildegard Knef scheut die Oi-Diva das Licht der Öffentlichkeit, macht sich rar und empfängt nur noch Telefonanrufe und Essen auf Rädern. Nun ja. -Philipp-
Seid ihr selbst davon überrascht, dass es euch seit 20 Jahren gibt?
Andrea: Ja, es ist schon komisch zu realisieren, dass man 20 Jahre Pestpocken macht.
Danny: Ich kann mir auf jeden Fall nicht vorstellen, dass es irgendwen gibt, der den Krach schon so lange hört wie wir ihn machen.
Wenn du sagst komisch, Andrea: Schwingt da etwas Negatives mit?
Andrea: Nein, auf keinen Fall. Es macht immer noch wahnsinnig viel Spaß. Natürlich werde ich öfter mal gefragt: „Warum machst du das nach 20 Jahren immer noch?“ Einfach weil es Spaß macht, geil ist und es eine gute Atmosphäre in der Band gibt. Warum aufhören?
Was waren denn in den letzten 20 Jahren die persönlichen Höhe- und Tiefpunkte jeweils?
Danny: Ein Tiefpunkt ist es jedes Mal, wenn wir auf Tom warten müssen.
Tom: Das Beste kommt zum Schluss! Mein Pestpocken-Highlight war als mir ein verlauster Hund auf Tour in Bitterfeld ins Gesicht gebissen hat. Eine Woche lang sah ich aus als hätte ich wie die heilige Maria aus den Augen Blut geweint. Meine Sympathie zu Katzen ist seit dem Debakel leicht gestiegen.
Danny: Die witzigsten Sachen passieren, wenn man unterwegs ist. Früher sind uns regelmäßig alle Autos kaputt gegangen. Wir haben zum Beispiel einen Mietwagen in Italien zerlegt, der erst zehn Kilometer drauf hatte und haben erst im Nachhinein erfahren, dass wir damit gar nicht ins Ausland durften. Eine von vielen unfreiwilligen Pausen auf irgendwelchen Autobahnen durch die wir unsere eigenen Konzerte fast verpasst haben. Meine persönlichen Highlights waren die Konzerte in Moskau, die wenigen längeren Europa-Touren und die Festivals die wir zum unserem 10- und 15-jährigen Bestehen organisiert haben. Die spannendsten Sachen passieren auf jeden Fall wenn man nicht daheim auf dem Sofa sitzt.
Andrea: Aber ein Tiefpunkt war sicherlich, dass Floppy sich entschieden hat, nicht mehr bei uns zu sein. Wir haben so eine lange Zeit in der Band verbracht und waren nach wie vor befreundet. Das hat mich ziemlich umgehauen.
Welchen Stellenwert haben die Pestpocken inzwischen für euch? Immer noch Lebensinhalt oder inzwischen mehr ein Hobby?
Andrea: Das kann man gar nicht auf einen Standpunkt festlegen. Es ist beides. Für mich ist es auch Lebensinhalt und ich kann es mir schlecht ohne die Band vorstellen. Aber dadurch, dass wir alle sehr eingebunden sind in Sachen, die wir beruflich oder privat machen, hat man eben nicht so viel Zeit wie früher. Von daher ist es für mich gleichzeitig Hobby und Lebensinhalt.
Mal als Frage an Tom und Tille, die Neuen: Wie war es eigentlich für euch, in so eine bestehende Band, die ein gewisses Standing hat, reinzukommen?
Tom: Als erstes musste ich bei Danny intensiven Arroganz-Unterricht nehmen. Das war eine vertragliche Grundbedingung! Der Hass der Hater auf Pestpocken soll sich ja schließlich gleichmäßig auf die ganze Band verteilen. Wir kennen uns seit mindestens 15 Jahren, sind schon lange befreundet und haben durch vorherige Bands auch gemeinsame Konzerte gespielt. Vor 10 Jahren habe ich auch schon mal bei einem Festival in Nürnberg ausgeholfen, weil Andrea einen kaputten Daumen hatte. Die letzte Platte (No Love For Nation) und auch vorher hatten wir einige Pestpocken Welthits zusammen produziert, aber seit 5 Jahren haben die mich nun fest an der Backe. Jetzt wo ich adoptiert wurde, bin ich zutraulich geworden.
Tille: Bei mir war es schon anders. Ich kannte Tom, Danny und Eddy auch schon vorher. Und ich habe ja noch eine andere Band. Musik machen war für mich jetzt keine ganz neue Nummer. Für mich war es aber schon eine Hausnummer, bei den Pestpocken zu spielen. Ich bin etwas jünger als die 20-Jahre-Besetzung. Wenn ich das seit 20 Jahren machen würde, hätte ich mit zehn angefangen. Es wäre zwar schon cool gewesen, wenn ich mit zehn schon bei den Pestpocken gespielt hätte, aber da wären mir die Sticks wohl noch zu schwer gewesen und ich hätte weniger Bier auf Tour bekommen als jetzt. Aber früher, so mit 14, 15, 16, habe ich die Band schon gefeiert und viel gehört. Ich bin ja auch ausm Kaff aus der Ecke und das war für mich schon ein großes Ding. Als ich über die Jahre mehr von der Szene und haufenweise anderer Bands kennengelernt habe, hat sich das ein bisschen abgeschwächt. Trotzdem war es für mich mit dem Einstieg nicht so, dass ich mal ein bisschen in den Keller gegangen und rumgerumpelt habe. Ich fand das schon geil.
Danny: Im Vergleich zum Tom, der sich quasi bei uns qualifiziert hat, indem er mal ausgeholfen hat, war es beim Tille eigentlich genau umgekehrt. Er hat es an eine Voraussetzung geknüpft, dass er bei uns anfängt.
Tille: Ja, stimmt. Die Voraussetzung war, dass bestimmte Songs wie „Auf die Fresse“ und „So nicht“ wieder ins Set kommen. Ich hab gesagt, dass ich ohne die nicht spiele. Das sind wichtige Sachen und die haben wir glaube ich auch gut umgesetzt, auch wenn sich manche dagegen wehren.
Mir ist auch aufgefallen, dass auf zahlreichen Pestpocken-Konzerten vornehmlich die Klassiker eingefordert werden. Seht ihr euch da manchmal auch so ein bisschen in einer Roberto-Blanco-Falle, der ja auch bis an sein Lebensende nur noch „Ein bisschen Spaß muss sein“ spielen muss?
Andrea: Ja, ich kenne das ja selber von anderen Bands, die ich schon lange abfeiere: Man ist mit bestimmten Songs auf eine Band aufmerksam geworden, die man total abfeiert. Und wenn ich eine Band anschaue, möchte ich natürlich auch die Klassiker hören. Deswegen versuchen wir mit den Pestpocken immer einen Kompromiss zu machen. Wir können es ehrlich gesagt zum Teil nicht mehr hören; ich muss aber auch sagen, dass „Auf die Fresse“ zu spielen wahnsinnig viel Spaß macht, aber wir entwickeln uns weiter und wir wollen auch unsere neuen Sachen spielen. Von daher ist es ein Kompromiss. Ich kann verstehen, dass die Leute es hören wollen, aber wir wollen auch andere Sachen spielen, die wir gut finden. Ich finde, dass wir da eine ganz gute Mischung haben.
Tille: Manchmal sind Leute auch schwer entrüstet wenn sie feststellen, dass in einem Set ganz viele neue Sachen von der „No Love For A Nation“ von 2012 sind. Die kommen danach zu uns und fragen, warum wir uns nicht mal umbenennen oder auflösen, weil wir ja jetzt ganz andere Sachen machen würden. Das ist uns tatsächlich mal passiert. Ich hab dann rückgefragt, warum sie sich nicht verpissen. Aber wie Andrea schon sagte: Die Leute erwarten es auch ein bisschen. Das ist auch okay, ich würde es ja auch erwarten.
Ihr setzt dem Volk also den Fraß vor, den es verlangt?
Tille: Ja, auch wenn er scheiße schmeckt, haha. Aber wenn sie ihn haben wollen?
Danny: Es macht aber auch einen riesen Spaß die alten Kamellen zu spielen. Sie kommen am Ende des Sets wenn wir eigentlich schon durch sind. Dann kann man mit den Leuten nochmal richtig feiern.
Aber man sicherlich schon sagen, dass ihr einem gewissen Traditionsflügel der Punkszene zuzuordnen seid. Warum gibt es eigentlich zunehmend weniger Bands, die diesen Stil spielen?
Tille: Das habe ich an dem Abend gesagt, als ich zum ersten Mal mit den Pestpocken geprobt habe und ich mich dafür ausgesprochen habe, wieder ein paar der Roberto-Blanco-Hits in die Session zu übernehmen!
Tom: Das Problem ist nur, dass man die irgendwie sehr schwer nachspielen kann.
Tille: Ja, allerdings. Egal, aber der Hintergrund war auch, dass keiner mehr so Sachen macht. Ich hab das früher als Deutschpunk bezeichnet und das, was früher Deutschpunk war, macht meiner Meinung nach keiner mehr. Das, was du heute als deutschsprachigen Punkrock präsentiert bekommst hat mit dem, was damals in der Richtung passiert ist, nicht mehr viel zu tun.
Danny: Früher war es Punk, heute ist es Musik.
Tille: Ja, das hat viel mit Dannys Aussage zu tun. Und auch wieder, was die Leute erwarten. Früher Punk, heute Musik. Die Leute konsumieren mehr und anders als früher, die Aufnahme- und Verbreitungsmöglichkeiten sind ganz andere geworden und die Standards wurden wohl entsprechend „nach oben“ verschoben. Wenn du heute ne Schrabbelaufnahme von Uffta-Punk rausbringst, passiert das Ganze vielleicht mit nem zwinkernden Auge, wird aber als Nostalgie-Ding voll gefeiert (so nach dem „ach, weißte noch…“ Motto). Wenn du Uffta-Punk mit ner glatten Produktion rausbringst, findens die Leute scheiße oder gestellt, es sei denn, du machst es schon seit 1000 Jahren, wie wir, haha.
Ja, was heute als deutscher Punk zumindest außerhalb der Szene-Publikationen bekannt ist, sind Bands wie Turbostaat, Feine Sahne Fischfilet und auch Antilopen Gang. Was löst es bei euch aus, dass sich der Punkbegriff so gewandelt hat oder ist euch das egal?
Andrea: Ich mache mir darüber eigentlich wenig Gedanken. Punk ist so vielfältig und für Leute, die sich in der Szene gar nicht auskennen, klingt das irgendwie alles gleich. Wenn man sich ein bisschen auskennt, ist es natürlich total facettenreich, die für manche ganz furchtbar und für manche ganz toll ist. Mir ist das eigentlich ziemlich egal. Ich mag mein Ding machen und das macht Spaß.
Danny: Es ist schon so, dass diese Provokations-Geschichte nicht mehr so richtig funktioniert und Punk salonfähig geworden ist. Was Leute außerhalb der Szene über diese denken hat mich noch nie wirklich interessiert. Ich persönlich finde Feine Sahne ziemlich cool und freue mich über deren Werdegang. Prinzipiell finde ich allerdings dass sich viele dieser angesagten linken Mainstream-Bands rebellisch geben, aber eigentlich total angepasst sind und für einen Antifaschismus stehen dem jeglicher revolutionärer und radikaler Anstrich fehlt. Dieser neoliberale Kram gefällt mir hier und da zwar musikalisch ganz gut, ist aber schon ein ganze andere Nummer als das was ich mir unter Punk vorstelle…gibt es wirklich Leute für die Antilopen Gang Punk ist?
Tille: Ja, die laufen schon unter dem Label. Die siehst du schon bei den Festivals rumspringen und andere Sachen spielen, die du halt nicht erwarten würdest. Ich bin ein schlechter Ansprechpartner für sowas, weil ich find das generell alles scheiße. Die meisten Sachen, die andere gut finden, finde ich scheiße.
Ein anderer Punkt, der sich sicherlich auch verändert hat, ist die Relevanz von Optik. Ihr werdet ja öfter mal als „Poser“ angefeindet worden. Hat sich das eigentlich mittlerweile mal gelegt, oder ist das ein andauernder Vorwurf?
Danny: Naja, die Leute, die diesen Vorwurf formuliert haben, waren relativ jung. Nun gibt es keine jungen Punker mehr und damit ist auch dieser alberne Vorwurf zurückgegangen.
Andrea: Aber es gibt immer noch sagenumwobene Geschichten und Mythen über unsere Band. Von daher ist das immer sehr amüsant, wenn man sich plötzlich in einem Gespräch befindet und dann jemand einem erzählt, was man wieder gemacht haben soll. Dann fragt man sich schon so, was das jetzt wieder für eine interessante Geschichte ist. Über sowas lache ich gern und viel, weil es nicht ernstzunehmend ist.
Tom: Das sind aber keine Sachen, die auf möglichst viele Nieten und möglichst hohe Iros anspielen. Davon habe ich in den letzten 5 Jahren nichts mitbekommen.
Andrea: Schau uns doch mal alle an, wie wir aussehen. Bis auf Danny sieht doch jeder fast normal aus.
Danny: Ich bekomme meine Arroganz-Vorwürfe trotz fast angewachsener Jogginghose immer noch, haha. Ich habe erst vor zwei Wochen erfahren, dass wir in ganz Thüringen Auftrittsverbot haben, weil ich zu irgendwem frech war und diese Person mich dann angeblich die Treppe runtergestoßen hat. Anzeige ist raus, haha. Aber es geht mir gut, anscheinend bin ich heil aus der Nummer rausgekommen…
Ich möchte noch kurz bei dem Punkt „Optik“ bleiben, weil der ja auch nicht so unwichtig ist. Also selbst hier in Berlin sind die weitestgehend aus dem Stadtbild verschwunden. Wenn ich mal echte Punks besichtigen möchte, muss ich schon die Potse, ins Tommyhaus oder die Köpi gehen. Warum ist Optik irrelevant geworden?
Tom: Punkrock schockt nicht mehr so wie früher. In den 80ern oder den 90ern war es noch eine andere Nummer. Sprüche wie „vor 50 Jahren hätten man sowas wie dich vergast“ waren kein seltener Einzelfall. Viele haben uns dafür gehasst, alleine weil wir so aussahen und unsere „Fickt euch alle“ Ausstrahlung wirkte nicht immer unbedingt deeskalierend. Das war toll! Anfang der 2000er haben mir irgendwelche Kuschelomis über die Haare gestrichen und meinten, dass das total schön wäre und dass sie das auch machen würden, wenn sie nochmal jung wären. An sich hatten sie recht, es sah ja auch geil aus, aber irgendwie wurde es zu sehr akzeptiert und salonfähig. Und das macht auch keinen Spaß mehr. Außerdem wird man älter und fauler. Irgendwann nimmt man das T-Shirt, was oben liegt und achtet nicht mehr darauf. Aber der Mittelfinger steht noch immer wie ne eins 😉
Vielleicht ein anderes Dauerthema,diesmal speziell an Andrea: Wie hat sich in den letzten 20 Jahren deiner Meinung nach die Präsenz von Frauen in der Szene geändert?
Andrea: Ich finde nicht, dass sich großartig etwas geändert hat, wenn ich das jetzt mal so spontan Revue passieren lasse. Wenn wir Konzerte spielen, bin ich häufig die einzige Frau, die an dem jeweiligen Abend auf der Bühne ist. Ich stelle mir auch immer die Frage, woher das eigentlich kommt und es hat natürlich mit den eigenen Sozialisationserfahrungen zu tun. Gerade Gitarre und Bass spielen halt nach wie vor in dieser Gesellschaft immer noch eher Jungs. Für Mädchen ist die Hürde dafür, ähnlich wie beim Fußballspielen, mit sagen wir mal 14 viel größer als andere Sachen zu machen, die sie schon früh gelernt haben. Und so ist es dann mit Musik eben auch und viele trauen es sich nicht. Das war es ja, was mich immer so fasziniert hat an Punk: Ich konnte auch überhaupt nichts und ich habe es trotzdem einfach gemacht. Das war etwas, was Punk mir eröffnet hat. Es hat Spaß gemacht und ich bin da irgendwie reingewachsen. Aber es ist natürlich in so einer männerdominierten Szene immer schwierig und herausfordernd.
Tille: Wie du schon sagst: Instrumente sind immer noch eine Männerdomäne. Ich habe aber den Eindruck, dass seit den letzten 10 Jahren gerade am Gesang schon wesentlich mehr Bands mit Frauen gibt. Gerade in den Hardcorepunkgeschichten kann man ja wahnsinnig oft „Female Fronted“ auf den Flyern lesen. Das ist fast ein Aushängeschild.
Andrea: Aber Hardcore ist nochmal etwas anderes als Punk, würde ich sagen. Mir fällt es einfach fast immer auf, dass ich die einzige Frau bin, die auf der Bühne steht. Mit dem Publikum ist es schon etwas anderes aber auch in linken und/oder Punk-Räumen, die selbst organisiert sind, ist es oft so, dass Frauen natürlich dabei sind, aber mit Technik weniger zu tun haben. Wir haben ganz selten eine Mischerin. Klar sind Frauen auch irgendwie integriert, aber die machen andere Aufgaben. Und man könnte schon mal genauer schauen, ob es nicht auch geschlechtsspezifische Aufgaben gibt.
Tom: Im Tommyhaus gibt es eine sehr gute Mischerin!
Andrea: Aber auf eine weibliche Mischerin kommen 20 männliche. Oder auf der Bühne, meist sind da auch vor allem Männer für den Aufbau und Umbau zuständig.
Nun eine spezifische Frage an Danny, nicht als Mann, aber weil wir diesen Interviewtermin koordiniert haben: Als ich dich um ein Interview gebeten haben, hast du sinngemäß gesagt, dass es ja gut wäre, dass im Plastic Bomb mal wieder eine Punkband sei. Was ist denn deine Kritik an der Entwicklung unseres Heftes?
Danny: Das habe ich eigentlich nur aus Spaß gesagt aber tatsächlich ist das Plastic Bomb für mich nicht mehr so interessant, weil es fast nur noch aus diesen Sachen besteht, die wir gerade machen: Bandinterviews. Ich fand dann diese persönlichen Anekdoten irgendwie interessanter, zum Beispiel wenn Doro Pesch auf nem Stadtfest in Duisburg gespielt hat und jemand davon berichtet hat. Gut verpackte Geschichten aus dem Leben. Klar, wenn ich eine Band kenne und mag, lese ich auch das Interview, aber ich habe das Gefühl, dass in der Fanzine-Landschaft alle Hefte nur noch aus Interviews bestehen. Das ganze drumherum hat mir immer mehr Spaß gemacht. Früher gab es in jeder Stadt noch ein Fanzine und man hat immer das Lokale gekauft und gehofft, dass über ein Konzert oder anderen Blödsinn berichtet wird, wo man selber war. Mittlerweile geht es nur noch um den Musikkonsum, welche Bands gerade in sind und was sie zu sagen haben. Ist auch interessant, aber wenn ein Heft nur noch daraus besteht, ist es für mich halt nicht mehr so lesenswert.
Apropos Musikkonsum: Alle fünf Jahre feiert ihr euch ja quasi selber und dieses Jahr ist es Ende September soweit. Viele Bands im Line Up sind ja schon länger dabei. Ist es schwierig, Nachwuchs zu finden?
Danny: Es hat einen Hintergrund, warum wir die Bands, die spielen, ausgesucht haben. Wir ziehen das Festival wie eine Geburtstagsparty auf und laden daher Freunde bzw. befreundete Bands ein, die uns begleitet haben und mit denen wir unsere 20-Jahres-Geschichte auf die eine oder andere Art teilen. Wir finden es super, dass Auweia! nochmal bei uns spielen, bevor sie sich auflösen, oder Obtrusive, obwohl es sie eigentlich nicht mehr gibt. Das hat natürlich noch einmal einen ganz anderen Stellenwert als wenn wir bekanntere Bands buchen würden, die für uns persönlich nicht so eine Bedeutung hätten.
Auf welche Bands freut ihr euch denn jeweils am meisten?
Danny: Neben wie gesagt Auweia! und Obtrusive freue ich mich besonders auf Bad Nasty, mit denen wir 2004 unsere mittlerweile indizierte Split LP rausgebraucht haben. Die gab es 13 Jahre nicht und das ist für mich etwas sehr besonders.
Andrea: Ich freue mich auch auf die Reunions am meisten. Mit Bad Nasty haben wir eben die Split-LP und die gehören zu unserer Geschichte dazu und das ist nochmal toller, die Leute alle auf einem Haufen zu sehen. Auch sonst freue ich mich, ganz viele Leute wieder zu treffen. Die Musik ist mir fast ein bisschen egal. Es ist viel mehr das Zusammenkommen von Leuten, mit denen wir eine längere oder auch kürzere Geschichte haben und es ist schön, mit denen feiern zu können.
Tille: Mir geht’s schon um die Musik. Leute treffen ist natürlich auch ganz cool. Nach Mirror Monkeys freue ich mich am meisten tatsächlich auf Rawside und Oi Polloi, weil das Bands sind, die ich den Großteil meines Lebens schon höre und auch schon als junger Hüpfer mit dem größten Iro, den ich hingekriegt habe, mega gefeiert habe. (Tille rudert mit den Armen um sein „megafeiern“ zu präsentieren. Alle inkl. der Interviewer freuen sich) Kannst ruhig reinschreiben, dass ich mit den Armen rudere, haha! Nee, das sind einfach schon die Jugendhelden für mich gewesen. Damit bin ich aufgewachsen, damit bin ich in diese Punkszene reingekommen und deswegen ist es jetzt für mich besonders geil, dass ich mit denen spielen kann. Aber no idols und so.
Tom: An sich freu ich mich auf die meisten Bands, musikalisch und auf noch mehr wegen dem persönlichen Bezug. Ich freue mich tatsächlich sehr auf Rawside, weil es auch musikalisch für mich damals als kleiner Depp aus den 90ern einer der besten Punkbands war. Vor ungefähr 10-15 Jahren war die „Staatsgewalt“ meine absolute Lieblingsplatte. Als ich angefangen habe Gitarre zu spielen, hatte ich kein Stimmgerät und dann habe ich immer anhand von „Faschopack“ meine Gitarre gestimmt. Dieser Song war immer mein Stimmgerät gewesen. Ansonsten freue ich mich total auf Auweia! und Schabernack mit Ullah und auf die bevorstehende Alkoholvergiftung verursacht durch Kotzreiz. Auf wen ich mich noch sehr freue ist Oi Polloi. Die werten Herren haben mich vor Kurzem für eine Woche in Frankfurt besucht um ihr neues Album und einige Singles im Chaos AD Studio (Achtung Schleichwerbung haha) zu produzieren. Das Wiedersehen wird mir ein Fest!
Eddy: Ich find am geilsten, dass Obtrusive spielen! Ich finde die Leute einfach geil, die Musik cool und ich habe ja mal bei denen ausgeholfen. Das sind einfach sehr sympathische Leute. Klar, Rawside und Los Fastidios sind auch geil und wir haben oft mit denen gespielt. Aber am besondersten finde ich Obtrusive.
Die guten Nachrichten reißen ja nicht ab. Nächstes Jahr wird es ja ein neues Album geben, in dass ich bereits einmal reinhören durfte. Das letzte ist von 2012. Warum dauert es bei euch immer so lang?
Danny: Normalerweise haben wir einen 5-Jahres-Rhythmus. Dieses Mal haben wir es ein bisschen verkackt. Knapp verkackt. Aber nach 2012 hatten wir drei Besetzungswechsel. Immer wenn der erste vollzogen war, kam der nächste und dann wollte man natürlich mal ein bisschen spielen, damit die Person reinkommt. Wirklich mit neuen Songs angefangen haben wir vor anderthalb Jahren, seitdem Tille dabei ist.
Tille: Dann haben wir noch eine Release-Party und nicht nur ein Festival. Mehr feiern!
Andrea: Wir haben einfach gedacht, wir können das nicht alles auf einmal machen. Ein Festival zu machen und ein neues Album zu präsentieren, ist einfach zuviel für die Punkrockwelt. Lieber alles häppchenweise.
Tom: Das wäre ja sonst wie Geburtstag an Weihnachten zu haben.
Apropos Alben: Euch verbindet ja eine gewisse Fanfreundschaft mit den Toten Hosen. Und nun mal bitte eure ehrliche Meinung zum letzten Album, bitte.
Andrea: Also die Fanfreundschaft beschränkt sich auf Danny und der muss dazu antworten.
Danny: Du könntest auch antworten. Immerhin haben sie bei dir im Wohnzimmer gespielt.
Andrea: Ja, aber ich fahre denen nicht hinterher.
Tom: Also ich kenne nur das Lied „Unter den Wolken“, weil Danny in dem Video mitgespielt hat. Ansonsten kenne ich vom neuen Album nichts.
Tille: Ich kenne nur das vom CDU-Wahlsieg, haha.
Danny: Also ich finde das neue Album richtig gut. Es sind zwar auch Songs dabei, die mir nicht so gut gefallen. Aber an sich finde ich es richtig gut und mit „Urknall“ ist auch ein richtiger Punkrockhit an Bord.
Andrea: Das nicht die Meinung der gesamten Band!
Tille: Das ist eine Einzelmeinung.
Eddy: Zwei! Zwei gehören dazu!
Danny: Also zwei Leute finden es richtig gut und drei kennen es nicht.
Andrea: Ich mag einfach die Toten Hosen nicht so sehr!
Danny: Gut, dann zählt das aber nicht zur Plattenkritik. Das ist als würdest du sagen, dass du kein Zucker magst, wenn dich jemand fragt, wie der Kuchen geschmeckt hat.
Andrea: Was soll das denn jetzt? Danny fühlt sich angegriffen, weil man seine Toten Hosen beleidigt hat. Aber das läuft jetzt aus dem Ruder.
Gut, dann kommen wir lieber zu einer anderen Frage, bevor das noch in Gewalt und Bandauflösung ausartet. Wird es auch im Jahr 2022 in 25 Jahre Pestpocken-Festival geben?
Andrea: Oh, das ist gar nicht so lange hin.
Danny: Das sind fünf Jahre, also umgerechnet um die 30 Proben.
Tom: Wir wären wahrscheinlich viel zu faul, um uns aufzulösen…
Tille: …oder finden keinen Termin, um darüber zu sprechen.
Danny: So lange es da draußen noch Leute gibt, die sich wünschen, dass wir aufhören, werden wir denen den Gefallen nicht tun!